In ihrer Ausstellung "Virtual Normality" zitiert die US-Künstlerin Signe Pierce immer wieder die Bildsprache der sozialen Medien.

Foto: Courtesy of Signe Pierce und Galerie Halgand

Die Farbe Pink dominiert die Ausstellung von Signe Pierce in der Wiener Galerie Nathalie Halgand. Der erste, süßliche Eindruck täuscht allerdings. "I refer to my aesthetic as aggressively feminine", erklärt die 1988 geborene US-Künstlerin zu ihrer Lieblingsfarbe, die in ihren Performances oder Installationen Programm ist – in ihrer, wie sie es nennt, "reality art".

Die in New York und Los Angeles lebende Künstlerin hat die Galerieräume in ein "hyperreales Zuhause" verwandelt, das sie während der Ausstellungsvorbereitung zeitweise bewohnte. Selbstredend, dass sie die Vorgänge in den neonfarben ausgeleuchteten und mit Rosen verkitschten Räumen auf Youtube live streamte – auf jener Plattform, auf der Pierce überhaupt ihr gesamtes Werk öffentlich zugänglich macht.

Unter anderem jene Performance, die neben Kunstmagazinen den konservativen Sender Fox, die Huffington Post oder das Fashionmagazin Dazed auf den Plan rief: American Reflexxx (2013) zeigt Pierce, wie sie in einem sexy Minikleid eine Promenade in Myrtle Beach, einem konservativ geprägten Ort in South Carolina, entlangläuft. Was sie zum immer unverhohlener attackierten "Fremdkörper" werden lässt, ist die Kombination ihres Outfits mit einer verspiegelten Maske, die das Gesicht komplett verdeckt. Gleichsam wie in einem real gewordenen "Shitstorm" wird sie im Laufe der Performance von der anwachsenden Menschenmasse beschimpft, mit Wasser angeschüttet und zuletzt brutal zu Boden gestoßen.

Massentauglichkeit als Ziel

"Wir waren eigentlich nicht darauf aus, ein Kunstwerk über Entmenschlichung zu machen", erklärt Pierce in einem Interview. Ihr eigentliches Interesse ist die Dekonstruktion weiblicher Stereotype und klassischer Blickregime. Es ist ein Interesse, das sich ganz ausdrücklich sowohl auf den digitalen als auch auf den physischen Raum bezieht.

Die Inspiration holt sich Pierce bei Künstlern wie David LaChapelle und Cindy Sherman, aber auch bei der Comedy-Sendung Saturday Night Live. Massentauglichkeit ist der Künstlerin wichtig, weswegen sie auch auf die Sprache von Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder Snapchat setzt. In der Ausstellung sieht man daher auf dutzenden iPhones Selfies von Pierce, in denen die Künstlerin sich auf die Idee des optisch perfekten "All-American Girl" bezieht.

Ihr bevorzugtes Mittel, damit verbundene Zuschreibungen zu konterkarieren, ist unverblümte Körperlichkeit: In einer ihrer älteren Performances – realisiert übrigens vor dem Trump Tower – würgt sie einen zuvor getrunkenen Starbucks-Frappuccino wieder heraus. Der cleanen Oberfläche aus smarter Technologie setzt sie ihren rosafarbenen Trainingsanzug, obszöne Geräusche, hässliche Grimassen und immer wieder Körperflüssigkeiten entgegen.

Abgesehen davon, dass sich Pierce damit freilich in eine lange Tradition feministischer Kunst einreiht, erinnert auch der verwendete Sound – er stammt u. a. von der US-Punkband Bikini Kill – an die Rrriot-Girl-Ära der 1990er-Jahre.

Die damals erhoffte befreiende Wirkung der neu erschlossenen Virtualität blieb bekanntlich aus. Umso wichtiger ist es also, dass junge Künstlerinnen wie Pierce ihrer Generation erneut Mut zum etwas anderen (digitalen) Selbstbild machen. (Christa Benzer, Album, 8.4.2017)