Ingeborg Strobl: "Vase (Kalbsfuß, Knochen, Nuss)".

Foto: Manfred Thumberger / Bildrecht Wien, 2016

Wien – Unter der Hülle seiner Zivilisiertheit ist der Mensch immer noch ein Tier. Diese Einsicht hat Ingeborg Strobl nie verlassen. In ihren Collagen, Fotografien, Grafiken, ihrer Kunst am Bau umkreiste die österreichische Künstlerin das Verhältnis zwischen der Natur einerseits und dem Menschen und seinen Dingen andererseits, diesen "Clash der Kulturen", wie sie einmal sagte.

Geboren 1949 in Schladming als Lehrertochter, war Strobl 1967 nach Wien gekommen, um an der Universität für angewandte Kunst Grafik zu studieren. Anschließend ging sie nach London, um sich am Royal College of Art zur Keramikerin ausbilden zu lassen. Auf den Erfolg auf dem Kunstmarkt legte sie es mit diesen Kompetenzen allerdings nicht an. Strobls Methode war die Langsamkeit, die genaue Beobachtung.

Es war die scheinbaren Nebensächlichkeiten, die Randerscheinungen der Zivilisation, aus denen sie ihre poetischen Miniaturen schuf. Kleine Sätze aus Zeitschriften, gesammelte Kitschobjekte, ruhig beobachtende Fotos und Videos: Aus "Fundstücken", mitunter Wunderlichkeiten der Zivilisation, montierte sie Erzählungen, in denen sie dem vermeintlich höher entwickelten, dem Geschäftetreibenden, dem Kunstmachenden, dem Philosophierenden Menschenwesen seinen Ursprung gegenüberstellte – um sich gewissermaßen aus der Perspektive des Tieres über die Gesellschaft zu wundern.

"Tier – Ich bin du", war dabei auf einer Grafik in Strobls großer Retrospektive im Linzer Lentos 2016 zu lesen. Gezeigt wurde dort aber auch eine Mariendarstellung, in der Strobl das Jesuskind gegen ein Auto ausgetauscht hatte: Eine Spitze auf den modernen Produktions- und Konsumwahnsinn. Strobl selbst, die zuletzt in einer kleinen Wohnung im siebten Wiener Gemeindebezirk wohnte, besaß kein Auto. Überhaupt brauche sie wenig, erzählte sie einmal – außer frischer Luft und Kino". Die neuen Medien nahm sie dabei wesentlich weniger offensiv in ihr Schaffen auf denn manche ihrer Kolleginnen. Die neuen Möglichkeiten sollten sie nicht abbringen vom aufmerksamen Blick.

1987 gründete Strobl zusammen mit Ona B, Evelyne Egerer und Birgit Jürgenssen die Künstlerinnengruppe "Die Damen". Zu deren Projekten gehörten einerseits ironische Spitzen auf den Kunstbetrieb – so richtete man etwa in der Secession zur Verballhornung des Begriffs "postmodern" ein Postamt ein – andererseits wandte man sich gegen klischeehafte Frauenbilder. Für die Fotografie Die vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangsvereins (1988) inszenierten sich Die Damen in machistischen Posen: eine Replik auf ein ganz ähnliches Foto, das 20 Jahre zuvor von den Herren der Wiener Kunstszene geschossen worden war.

Tatsächlich war die Selbstinszenierung jedoch Strobls Sache nie, innerhalb der Damen sah sie sich stets als Opposition: "Ich war quasi das Krokodil", so formulierte sie das einmal. Nun ist Ingeborg Strobl im Alter von 67 Jahren gestorben. (Roman Gerold, 11.4.2017)