Digitale Beratung: Die Zukunft?

Foto: APA

Ja, das Smartphone könnte bald schon Erstdiagnosen erstellen und passende Medikation empfehlen, sagen die Gesundheitsexperten von Roland Berger.

Foto: istock

Mit dem Arzt skypen, die Diagnose via App bekommen, mit dem 3-D-Drucker hergestellte Medikamente ordern oder eine Stammzellentherapie mithilfe des Genomeditings: Es wäre einfacher zu beschreiben, was die Digitalisierung im Bereich Gesundheit eigentlich nicht verändert. Das sagen auch die Gesundheitsexperten von Roland Berger: "Wir sehen eine sehr große Dynamik im Gesundheitsmarkt. Junge Start-ups drängen mit neuen Geschäftsmodellen in den Markt. Gleichzeitig wird kräftig investiert. Allein in den USA stieg die Finanzierung von Start-ups im Gesundheitsmarkt 2015 um 4,5 Milliarden Dollar", sagt Thilo Kaltenbach. Auch Europa bleibe attraktiv: "Über 20 Inkubatoren und zahlreiche Industrieinitiativen schaffen ein sehr gutes Umfeld." Zusätzlich investiere die Politik: Die Horizon-2020-Initiative der Europäischen Kommission stellt zum Beispiel 600 Millionen Euro für Europas digitale Zukunft bereit.

Die großen Veränderungen finden sich auch im Titel der aktuellen Studie von Roland Berger wieder: "All Change for healthcare" heißt es dort, auch weil Milliarden in die Branche fließen. Die Experten rechnen damit, dass sich das weltweite Marktvolumen von knapp 80 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf über 200 Milliarden Dollar bis 2020 mehr als verdoppeln wird – ein durchschnittliches Wachstum von jährlich 21 Prozent.

Innovativ und digital

Die neuen Anbieter, die versuchen mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen in den lukrativen Markt einzusteigen, bedeuten für die etablierten Unternehmen natürlich vor allem eines: Konkurrenz. "Traditionelle Unternehmen sollten sich kulturell und strukturell für Innovationen öffnen und die Digitalisierung jetzt aktiv vorantreiben, um gegenüber neuen Anbietern nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dazu sollten sie eine individuelle digitale Strategie formulieren und diese mit geeigneten Maßnahmen konsequent umsetzen", sagt Kaltenbach dazu.

Neue Geschäftsmodelle sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette denkbar – deshalb sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Ärzte, Apotheker, Patienten und Regierungen betroffen. So würden Pharmakonzerne zusammen mit großen Technologieanbietern bereits heute neue Produkte entwickeln, um die Wirkung von Medikamenten zu testen. Andere Beispiele, die in der Studie genannt werden: Die digitale Auswertung von Gesundheitsdaten könnte zu einer individuellen Medikation des Patienten führen, ohne dass dafür Ärzte oder Apotheker konsultiert werden müssen. Für Firmen, die medizintechnische Geräte produzieren, könnte die Zukunft in der Vernetzung liegen. Ein Datenaustausch mit anderen Geräten und eine Echtzeitüberwachung können nach einer Operation Schwerpunkte für die Nachbehandlung identifizieren.

Neue Möglichkeiten

Für Versicherungen und Regierungen spielen hingegen die elektronischen Patientenakten die größte Rolle. Bei Roland Berger sieht man hier die Möglichkeit zu schnellerer und effizienterer Krankenbehandlung – außerdem könnte man dadurch die Kosten für die Gesundheitssysteme weltweit um 80 Milliarden Dollar senken, sagt Kaltenbach. Und er geht noch einen Schritt weiter: "Gleichzeitig werden durch die Digitalisierung von Daten und Diensten die nationalen Grenzen fallen, in denen sich Gesundheitssysteme heute bewegen. Versicherungen sollten daher zukünftig ihr Angebot internationaler ausrichten und Regierungen nationale regulatorische Rahmenbedingungen harmonisieren."

Besonders starkes Wachstum gebe es natürlich im Bereich Mobilfunk, vor allem durch Apps. Das Smartphone als täglicher Begleiter könnte bald schon Erstdiagnosen erstellen und passende Medikation empfehlen. (Lara Hagen, 18.4.2017)