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Ökonomen warnen: Mit Trump kehre der Protektionismus in die Weltwirtschaft zurück.

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Washington – In den vergangenen Monaten haben zwei Ereignisse die globale Ordnung durcheinandergerüttelt: Die Briten haben sich dafür entschieden, die EU zu verlassen. In den USA ist Donald Trump zum Präsidenten gewählt worden. Ökonomen hatten vor beidem gewarnt: Mit Trump kehre der Protektionismus in die Weltwirtschaft zurück, der Brexit würde einen ganzen Kontinent in eine ungewisse Zukunft versetzen. Die düsteren Prognosen haben sich bisher nicht bewahrheitet.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat am Dienstag seinen neuen Bericht zur Lage der Weltwirtschaft vorgestellt. Für Euphorie gebe es laut IWF zwar keinen Grund: Im Vergleich zu vorangegangen Jahrzehnten werde das Wachstum in naher Zukunft moderat ausfallen. Doch es gehe aufwärts: Der Währungsfonds präsentierte den Wachstumsreport mit den optimistischsten Zahlen seit langem. Heuer soll die globale Konjunktur um 3,5 Prozent zulegen, 2018 würden es dann sogar 3,6 Prozent Plus sei. Der IWF hat damit seine jüngste Schätzung aus dem vergangenen Herbst nach oben korrigiert. Zum Vergleich: 2016 lag das Weltwirtschaftswachstum bei 3,1 Prozent.

Aussichten in Industrieländern hellen sich auf

Verantwortlich für diese positive Entwicklung sei, dass sich die Aussichten in den Industrieländern aufgehellt hätten, und zwar vor allem in den USA und in Großbritannien. In den USA seien die Investitionen der Unternehmen gestiegen. Die von den Republikanern und US-Präsident Trump erwarteten Steuersenkungen würden die Konjunktur 2017 ankurbeln, wenngleich das Defizit zeitgleich steigen dürfte.

In Großbritannien seien es vor allem die höher als erwartet ausgefallenen Ausgaben der Konsumenten, die die Wirtschaft beflügelt hätten. Der IWF hat die Konjunkturprognosen für kein anderes Land derart stark nach oben korrigiert wie für das Vereinigte Königreich.

Österreich unter Eurozonen-Schnitt

Aber auch die Wirtschaft in Japan (Exporte) sowie Deutschland und Spanien (Inlandskonsum) entwickle sich laut Fonds besser als gedacht. Für die Eurozone rechne man wie schon 2016 mit einem Wachstum von rund 1,7 Prozent für heuer und etwa gleich viel im kommenden Jahr. Für Österreich erwarte der Fonds 1,4 Prozent. Das liegt unter dem Schnitt der Eurozone. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und das IHS haben zuletzt deutlich höhere Werte für Österreich angenommen. Eine Begründung für diese eher gedämpften Erwartungen lieferte der Währungsfonds in seinem Bericht nicht.

Auf globaler Ebene hebt der IWF hervor, dass nach einer langen Periode der schwachen Entwicklung die Industrieproduktion zugelegt habe: Unternehmen investierten wieder mehr Geld in Fabriken und Waren, hätten aber auch die Produktion von Konsumgütern hochgefahren. Doch dabei gebe es einen großen Wermutstropfen: In vielen Fällen holten Unternehmen derzeit nur jene Ausgaben nach, die sie in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund der Krise nicht tätigen wollten.

Mangelnde Produktivitätszugewinne

So überdeckten die aktuellen Zahlen laut Fonds ein ganz wesentliches Problem: dass nämlich die Produktivitätszugewinne in Industrieländern niedrig oder nicht existent seien. Das zweite große Problem sei laut Fonds die hohe Einkommensungleichheit. Während in den meisten Schwellenländer und armen Staaten von der Globalisierung alle Gesellschaftsschichten profitiert hätten, sei das in Industrienationen anders gewesen. Der technologische Wandel und die Auslagerung von Produktionsstätten hätten zu einem Verlust gut bezahlter Arbeitsplätze in der Industrie geführt. Dagegen habe eine kleine Gruppe an gut ausgebildeten und ohnehin gut verdienenden Menschen überproportional von der globalen Vernetzung profitiert. Diese Entwicklung habe bei vielen Menschen zu einer "Desillusionierung" in Bezug auf die Globalisierung geführt.

Nun bestehe die Gefahr, dass Länder als Antwort zu protektionistischen Lösungen greifen. Dies gefährde das kooperative System der Weltwirtschaft, das sich nach 1945 allmählich herausgebildet habe, so der Fonds.

Kritik an den USA

An dieser Stelle erlauben sich die IWF-Experten deutliche Kritik an ihrem größten Anteilseigner, den USA. Wenn die US-Regierung unter Trump bestehende Handelsabkommen nachverhandle, könne das für alle Seiten vorteilhaft sein. Die Rückkehr zu Zöllen oder die Errichtung anderer Handelshemmnisse würde die US-Wirtschaft aber nachteilig treffen. Wer Importe verteure, der treffe damit vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten. Weniger Handel bedeute auch weniger Wettbewerb und werde damit zu Produktivitätsverlusten führen.

Der IWF warnt auch davor, Einwanderungspolitik zu restriktiv zu gestalten. Migration wirke sich positiv auf eine Volkswirtschaft aus. Mit scharfen Worten warnen die Ökonomen des Fonds vor der Border Adjustment Tax. Teile der Republikaner liebäugeln ja mit der Idee, die Steuerbasis in den USA umzustellen. Sie wollen Importe mit einer 20-prozentigen Abgabe belegen, aber Exporte davon befreien. Der IWF warnt, dass die Umsetzung dieser Idee mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO nicht vereinbar wäre. Die WTO verbietet die Einhebung von Abgaben, die einem Zoll gleichkommen. Die Einführung der Border Adjustment Tax würde die USA zudem in scharfe Konflikte mit ihren Handelspartnern führen, heißt es im Bericht des Fonds.

Glaube an Kooperation

Die gute Entwicklung in den vergangenen Monaten liege laut Währungsfonds zudem zum Teil gerade darin begründet, dass Bürger und Unternehmer glauben, die Politik setze weiter auf Kooperation. So würden die Zahlen aus Großbritannien darauf hinweisen dass die meisten Investoren erwarten, dass die EU und Großbritannien sich auf eine enge Kooperation einigten und ein sogenannter harte Brexit vermieden werde. Die Experten rund um den Währungsfonds-Chefökonomen Maurice Obstfeld rechnen übrigens weiter damit, dass der Brexit die britische Wirtschaft negativ beeinflussen werde. Allerdings erwarten sie nun, dass diese Effekte langsamer als gedacht spürbar sein würden. So werde sich der Kaufkraftverlust, der sich durch den Preisverfall des britischen Pfundes ergeben wird, erst in den kommenden Monaten bemerkbar machen.

Das Bild der wirtschaftlichen Entwicklung bei den Schwellenländern fällt schließlich gemischt aus: Während das Wachstum in China robust sei, kämpfe Brasilien weiter gegen eine Rezession. In Indien sei die Konjunktur erlahmt. (András Szigetvari aus Washington, 18.4.2017)