Und hinten passt tatsächlich ein Kinderwagen in den Kofferraum. Dazu muss man einen Rücksitz umlegen, das ist möglich. Oder vier maßgefertigte Köfferchen, die es selbstverständlich im Zubehörshop von Ferrari zu erwerben gibt. Wir reden hier vom Ferrari GTC 4 Lusso T, ein etwas umständlicher Name, er steht für Gran Turismo Coupé mit vier Sitzen und zwei Turbolader. Nennen wir ihn einfach Lusso, wir haben uns schon vertraut gemacht und angefreundet. Mit vier Sitzen und einem anständigen Kofferraum, der zumindest ein fröhliches Getaway-Weekend möglich macht, ist der Lusso so etwas wie der Passat unter den Ferraris. Allerdings: immer noch ein Rennwagen, vielleicht etwas gebändigt.

Ferrari GTC 4 Lusso T
Foto: Ferrari

Bisher gab es den Lusso nur als Zwölfzylinder. Das klingt nach Ferrari pur, nach der vollen Pracht, aber es gibt wohl Leute, denen zwölf Zylinder einfach zu viel sind, zu behäbig, wobei das bei 690 PS eher relativ ist. Jetzt gibt es den Lusso auch als Achtzylinder mit Turbolader, und dem wohnten wir mit feuchten Händen bei.

Heikle Angelegenheit

Bei Ferrari ist man der Ansicht, dass auch der Achtzylinder seine Berechtigung hat, dass die nunmehr 610 PS auch ausreichen und vielleicht noch etwas agiler und spritziger sind. Ferrari hat die Zielgruppe des Achtzylinder-Lusso als etwas jünger als die übliche Kundschaft definiert und hofft darauf, Menschen zwischen 30 und 45 Jahren anzusprechen und für die Marke zu begeistern. Das müssen entweder sehr gut verdienende jüngere Menschen sein, die bereits auf eine erbauende Karriere zurückblicken können und ein glückliches Händchen mit den Finanzen haben, oder aber reiche Eltern. Denn: In Österreich stehen für den Lusso doch 290.000 Euro in der Preisliste. Und da ist noch kein Schnickschnack dabei, wie etwa das eigene Display für den Beifahrer oder die Beifahrerin, was ohnedies eine heikle Angelegenheit ist. Muss es sein, dass am BeifahrerInnensitz, um hier das geschlechtsneutrale Binnen-I zu bemühen, ständig alle Daten wie Drehzahl, Fahrwerkseinstellung und Geschwindigkeit abrufbar sind? Eben. Es wird ohnedies genug gekeppelt im Auto. Um hier noch die Kurve zu kratzen: Man denke nur an die gemeinsame Navigation. An der können sich Paare entzweien.

Auch wenn wir – majestätisch gesprochen – nicht hundertprozentig in die von Ferrari ins Auge gefasste Zielgruppe passen, schon hinsichtlich der finanziellen Möglichkeiten und auch altersmäßig ein bis zwei Jahre drüber, hatten wir mit dem Lusso eine Verabredung in Montereggioni, also in der dieser Tage fein angerichteten Toskana.

Im Komfortmodus

Und das gibt es zu berichten: Der Lusso wartete oben im Dorf inmitten der mittelalterlichen Mauern. Da sich dieser Ferrari auch als Angebot an junge Paare oder gar junge Familien versteht und nicht nur an den mittelalterlichen Angeber, lässt er sich starten, ohne dass die umliegenden Türme erzittern – im Komfortmodus. Wenn man das Städtchen verlässt, muss man nicht automatisch alle Einwohner mit seiner Abfahrt behelligen. Der Sound ist verhalten, das sollte auch im Großstadtverkehr gut funktionieren, man muss ja nicht ständig mit einer Soundkulisse aufzeigen, die alle teilhaben lässt. Der erste Eindruck: komfortabel. Unkompliziert zu fahren, allerdings mit einer unglaublich direkten und sensiblen Lenkung, die auf die kleinste Bewegung reagiert. Nichts für nervöse Menschen.

Wir gewinnen an Fahrt, streben Volterra an. Schalten in den Sportmodus. Und das ist jetzt Ferrari. Der Motor lässt sich auf mehr als 8000 Touren drehen, brüllt. Die Beschleunigung raubt einem den Atem. In 3,5 Sekunden auf 100, in 10,8 Sekunden auf 200 km/h – nicht unmittelbar hier auf der italienischen Landstraße, selbstverständlich. Die Gänge knacken im Millibruchteil einer Sekunden mit einem trockenen Blop hinein. Ein gewaltiges Drehmoment schiebt von unten an, und auch bevor der Turbolader zu jubilieren beginnt, zieht der Wagen unablässig nach vorn, ohne Loch, ohne Peitsche, in einem durch.

So sensibel die Lenkung reagiert, so stabil verhält sich der Wagen gerade auch bei höheren Geschwindigkeiten auf der Straße. Das Fahrwerk behält keine Geheimnisse der Straße für sich, sondern gibt alles weiter, wirkt dabei aber nicht so kompromisslos hart, wie man das von früheren Modellen kennt. Und sollte einmal ein gröberes Hindernis auf der Straße auftauchen, eine aus der Norm geratene Schwelle, lässt sich der Lusso bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h ein paar Zentimeter anheben. Damit lässt sich auch eine Schotterstraße bewältigen, ohne dass man sich allzu große Sorgen um den Zustand des Wagens machen müsste.

Platz für Familie

Wir nahmen Hügel um Hügel, Kurve um Kurve, fuhren San Gimignano an und fielen dort, getrieben vom eigenen Eifer und der selbst auferlegten Hast, erschöpft und glücklich aus dem Wagen. Was für ein Ferrari. Hier ist die Symbiose aus alltagstauglichem und komfortablem Stadtauto, das durchaus auch als Familienauto bestehen kann, und einem kompromisslosen, unglaublich schnellen Rennwagen gelungen.

Wir setzten uns selbstverständlich auch hinten rein – und tatsächlich: Hier findet ein Erwachsener gut Platz, ein zweiter auch. Kinder sind auf den komfortablen Rücksitzen sowieso gut aufgehoben, solange sie nicht das edle Leder mit Eis bekleckern und die Mama oder der Papa die Finger von der Sporttaste lässt. Obwohl es ja Kinder geben soll, denen das taugt. (Michael Völker, 24.4.2017)

Unerhört sportlich, unerbittlich schön und dabei auch noch praktisch: Mit dem GTC 4 Lusso T kann man die Kinder zur Schule bringen und auf die Rennstrecke abbiegen. Aber eher nacheinander.
Foto: Ferrari