Das muss man sich einmal vorstellen: Da zerfleischt sich die Wiener SPÖ in internen Flügelkämpfen selbst. Bürgermeister Michael Häupl wird von den Getreuen um Wohnbaustadtrat Michael Ludwig geradezu gedrängt, in absehbarer Zeit zurückzutreten – und will das drei Monate nach den kommenden Nationalratswahlen tun. Anstatt den aufgelegten Elfmeter zu verwerten und das rote Treiben entspannt zu beobachten, schaffen es aber die Grünen mit ihrem stümperhaften Vorgehen in der Causa Heumarkt, sich zeitgleich selbst in eine tiefe Krise zu stürzen.

Planungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou steht als Anführerin einer Chaostruppe da, die mehr Tohuwabohu verursacht als politisch vorwärtsbringt. Diese Einschätzung hat die eigene Basis zu verantworten, die sich in der überhaupt ersten grünen Urabstimmung in Wien knapp gegen das 66-Meter-Hochhaus-Projekt des privaten Investors Michael Tojner in der Unesco-Weltkulturerbe-Zone ausgesprochen hat. Zuvor ist jahrelang verhandelt worden; Vassilakou hat zuletzt durchgesetzt, dass der Luxuswohnturm zwei Stockwerke im Vergleich zum ursprünglichen Plan verliert.

Dem Nein der Basis zum vorgestellten Projekt ist aber im Jänner ein Beschluss der grünen Landeskonferenz vorangegangen. In dieser haben sich die Grünen kurioserweise mit großer Mehrheit darauf geeinigt, das Flächenwidmungsverfahren in Bezug auf den Turm fortzuführen – und gleichzeitig Maßnahmen zum Schutz des kulturellen Erbes zu setzen. Seit Jahren ist aber klar, dass die Unesco nicht mehr als 43 Meter hohe Bauten in der Schutzzone erlaubt. Das eine geht mit dem anderen also nicht zusammen. Selbst Grüne sprechen von "widersprüchlichen Beschlüssen", die man da intern gefasst habe.

Vassilakou verantwortlich

Diese hat in letzter Konsequenz Vassilakou zu verantworten. Die Planungsstadträtin, die sich wie die SPÖ für den Bau ausspricht, hat sich das vermeintlich einheitliche Vorgehen der Grünen also teuer erkauft: mit einer Scheinlösung, die Befürworter und Gegner des Projekts angesprochen hat. Die Rechnung dafür bekommt sie jetzt präsentiert.

Am Montag müssen sich die Grünen in internen Sitzungen überlegen, wie sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen. Es steht viel auf dem Spiel: Bleibt Vassilakou bei ihrem Ja zum Projekt, wird der interne Widerstand wohl kulminieren.

Gegner werden dann gerne daran erinnern, dass Vassilakou ihre Rücktrittsankündigung bei Verlusten nach der Wahl 2015 nicht wahrgemacht hat. Sie werden aufzeigen, dass Vassilakou noch immer keine Alternativen zum von der SPÖ gewünschten Lobautunnel präsentiert hat. Eigentlich hätten diese schon vergangenen Herbst vorgestellt werden sollen. Und sie werden genau darauf achten, welchen Kompromiss Rot-Grün bei der Reform der Mindestsicherung findet. Auch dieser ist seit Monaten im Zeitverzug.

Folgt die Parteispitze aber dem Votum der Basis und bleibt beim Nein zum Heumarkt-Turm, ist ein Rücktritt von Vassilakou wahrscheinlich. Damit dürfte auch die Rathauskoalition mit der SPÖ gesprengt werden. Das wiederum würde Häupl ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Er müsste seine Partei kurzfristig erneut in die Neuwahl führen – und könnte Versäumtes nachholen: seine Nachfolge ordentlich regeln. Eine rot-grüne Fortsetzung wäre da mit Blick auf grüne Überraschungen mehr als fraglich. (David Krutzler, 23.4.2017)