Der deutsche Technopionier Wolfgang Voigt kehrt nach 17 Jahren mit seinem romantischen Ambientprojekt GAS zurück: "Narkopop".

Foto: Madeleine Hayeur

Wien/Krems – Der 1961 geborene Wolfgang Voigt zählt von den 1990er-Jahren herauf zu den führenden Labelmachern, Musikern und Produzenten der internationalen Technoszene. Unter anderem auch auf dem hauseigenen Label Profan veröffentlichte und veröffentlicht Voigt seit einem Vierteljahrhundert mitunter stilprägende Tracks im Segment des abgespeckten Minimaltechno.

Es ist dies eine Dancefloorspielart, die mehr auf die gerade durchmarschierende Bassdrum und den Schmalhans als Kapellmeister setzt. Dieser lässt die Melodie meist weg und vertraut lieber auf zurückhaltende, pochende, bestenfalls basslastige Grundmotive aus dem Sequenzer. Zu dem gesellen sich diverses perkusssives Klöppeln, Knistern und Klickgeräusche. Das Publikum muss bezüglich seiner aufmerksamkeitsökonomischen Belastbarkeit bei der Stange gehalten werden.

Noch vor eineinhalb Jahrzehnten war Minimaltechno das Nonplusultra im gastronomischen Sektor des Nachtlebens. Immerhin hält sich das Publikum im Zweifel lieber an Getränken fest, bevor es sich an sonst nichts festhalten kann. Die Pseudonyme Voigts lauteten Mike Ink, M:I:5 oder auch Polkatrax und Love Inc. Bei letztgenannten Projekten kamen auch die Polka und auf dem Love-Inc.-Album Life's a Gas sogar richtig poppige Elemente zum Tragen.

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In der Rezeption von Voigts Werk nimmt allerdings ein anderes Projekt den größten Raum ein. Als GAS veröffentlichte er bis zum Jahr 2000 mit Alben wie Zauberberg oder Königsforst Ambientmusik, die international wohl auch deshalb so sehr beachtet wurde, weil sie das romantische deutsche Klischee auf die Spitze trieb.

Einerseits war hier durchaus auch der Technobeat als moderne Form der Marschmusik weit im Hintergrund zu hören. Man konnte sich also mit der Ahnung der Gräuel des 20. Jahrhunderts im kollektiven Gedächtnis durchaus ein wenig wohlig gruseln. Weil aber der Beat nicht alles im Leben ist, legte Voigt als GAS das Hauptaugenmerk ohnehin lieber auf das Schwelgen in der deutschen Hochkultur mit der Betonung auf Gefühlsüberwältigung und romantische Umwölbung.

Pathetische Anspannung

Stark bearbeitete Orchestersamples aus dem deutschen Wald und Musenhain, laut angloamerikanischer Rezeption herauf von Wagner und "the Niebelungs" bis zu "Brückner and Mahler", werden nun auch 17 Jahre nach dem letzten Lebenszeichen von GAS auf dem Comeback-Album Narkopop mit dem elektronischen Pürierstab zu einem digitalen Smoothie verdichtet. Trotz der kräftigen Zufuhr von Halleffekten und feinziselierter Verzerrung und Übersteuerung gelangt ständiges Anschwellen und Drängen und Streben nach einer Auflösung der pathetischen Anspannung nie zu einem Schluss. Kurz gesagt, zur Entladung kommt es nie.

Es entstehen bei GAS tiefe Gefühle der Sehnsucht. Frieden. Ruhe. Natur. Hach. Wertkonservativ angelegt, klingt Narkopop nicht anders als vor 20 Jahren. Sintemal es ja damals schon mindestens genauso laut aus dem Wald zurückwummerte, wie man in ihn hineinblies und -geigte. Rollende Steine setzen kein Moos an. Aber die Wirkung, die entsteht, wenn man sein Haupt auf Moos auf den Steinen bettet, sie wird unterschätzt. (Christian Schachinger, 26.4.2017)