Wien – Das Großprojekt trimedialer Newsroom "ist jedenfalls neu zu denken", sagt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im STANDARD-Interview: "Es ist die Frage, ob wir vieles – aber nicht alles – durch effizientere IT-Vernetzung und neue Workflows realisieren. Da spielt die Flächengröße eines Newsrooms eine geringere Rolle." "Noch" will er nicht soweit gehen, den Abschied der Radioredakteure vom Funkhaus abzusagen.

STANDARD: Wie passt die Aufteilung der TV-Information auf ORF 1 und ORF 2 eigentlich zum Projekt eines gemeinsamen Newsrooms von Radio, Fernsehen und Online? Ist der gemeinsame Newsroom überhaupt noch Thema?

Wrabetz: Das trimediale Arbeiten ist noch Thema. Im Zusammenhang mit dem Standortprojekt sind da jetzt sicher einige Fragen zu stellen, wie wir das organisieren.

STANDARD: Warum stellen sich welche Fragen?

Wrabetz: Von der Bezirksvorsteherin abwärts wollten sich vor einigen Jahren Bezirksvertreter des 13. Bezirks hier anketten, um zu verhindern, dass der ORF wegzieht, mit einstimmigen Beschlüssen für einen Verbleib des ORF in Wien-Hietzing. Und nun haben wir einen einstimmigen Beschluss der Bezirksvertretung gegen das ORF-Standortprojekt, jedenfalls mit Auflagen, die unrealistisch und unerfüllbar sind. Also haben wir schon in der Flächenwidmung einen Stillstand. Solche Widmungsverfahren sind in Wien derzeit ja auch andernorts ein bisschen schwierig. Die Anrainer drohen uns zudem, sie würden Genehmigungsverfahren möglichst lange verzögern. Wenn sich der Neubau, in dem der Newsroom vorgesehen war, um drei, vier Jahre verzögert, stellt sich die Frage eines neuen Newsroomkonzepts.

Der ORF-Chef und sein Zentrum – ein millionenschwerer Sanierungsfall mit einigen offenen Fragen.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: So schnell werden solche Konzepte obsolet? Für wie lange planen Sie Newsrooms?

Wrabetz: Für zehn, 15 Jahre etwa. Wir hatten ein Newsroomkonzept von 2013 für 2020, für die 2020er Jahre. Nun könnte das erst deutlich später fertig werden. Also muss man sich fragen: Stimmen die Parameter für das Projekt noch?

STANDARD: Kann man daraus ableiten: Lassen wir doch lieber alles, wie es ist? Die Radioredakteure bleiben im Funkhaus, die Fernsehleute auf dem Küniglberg, die Onliner kommen vielleicht auf den Küniglberg, müssen aber nicht mit den Fernsehleuten zusammensitzen. Und alle denken das trimediale Arbeiten mehr, als es unmittelbar persönlich zu erleben?

Wrabetz: Nein, das würde ich nicht daraus ableiten. Aber wir müssen dem ORF-Stiftungsrat im Juni einen Adaptionsbeschluss oder eine Festlegung für das Projekt vorlegen. Da sind bestimmte Themen offen zu diskutieren.

STANDARD: Wären Sie dafür, das Großprojekt trimedialer Newsroom zu lassen?

Wrabetz: Jedenfalls wäre es neu zu denken. Es sind auch die finanziellen Ressourcen knapper dafür. Es ist die Frage, ob wir vieles – aber nicht alles – durch effizientere IT-Vernetzung und neue Workflows realisieren. Da spielt die Flächengröße eines Newsrooms eine geringere Rolle.

STANDARD: Das heißt: Es ist denkbar, dass die Radioleute inklusive Radioinformation im Funkhaus bleiben?

Wrabetz: So weit würde ich jetzt noch nicht gehen. Wir haben am Montag mit der Wiederbesiedelung des Bauteil 1 auf dem Küniglberg nach der Sanierung begonnen. Damit haben wir rund 20 Prozent des Gesamtprojektes realisiert. Bevor man an die weiteren Etappen geht, ist es ein guter Zeitpunkt, das noch einmal durchzudenken. Wir wissen, was der Zubau kosten würde...

STANDARD: 60 Millionen, hieß es bisher immer.

Wrabetz: Aber dass wir ihn in dem Rahmen des Gesamtprojekts unterbringen. Die Frage ist unter anderem, welche räumlichen Strukturen sind unbedingt notwendig für unser redaktionelles Arbeiten in fünf bis sieben Jahren und welche technische und IT-Infrastrutkur. Das werden wir aufgrund der Verzögerungen neu bewerten. Das muss man noch einmal abwägen und dem Stiftungsrat Vorschläge machen: Zieht man das jetzt so durch oder kommt es zu Adaptionen?

STANDARD: Im Zuge des Bauprojekts sind zusätzliche finanzielle Belastungen aufgetaucht?

Wrabetz: Ich gehe nicht davon aus, dass der ORF insgesamt mehr Geld zur Verfügung hat. Also werde ich mir die Belastungen durch hohe Investitionen noch einmal genau ansehen. Und natürlich steigen mit jedem Jahr genehmigungsbedingter Verzögerung die Kosten.

STANDARD: Ist das Bauprojekt Küniglberg – Sanierung und Zubau – bisher gut, professionell gelaufen?

Wrabetz: Optimal ist jene Variante, zu der es keine besseren Alternativen gibt.

STANDARD: Sagt Lao-Tse?

Wrabetz: Sagt der Bundespräsident – in einem anderen Zusammenhang. Natürlich hatten wir bei diesem Projekt ein paar besondere Herausforderungen: Wir mussten wegen der Standsicherheit mit der Sanierung des Objekts 1 beginnen, bevor wir das Gesamtprojekt durchplanen konnten. Nach dem Lehrbuch hätten wir das Gebäude geräumt, da war ja Gefahr in Verzug, und es drei Jahre leer stehen lassen, geplant, beauftragt und so weiter. Das hätte aber andere Mehrkosten bedeutet. Und einige Vorhersagen unserer Gutachter haben sich nicht bewahrheitet.

STANDARD: Wie zum Beispiel?

Wrabetz: Zum Beispiel: Durch Kubaturenausgleich ließe sich der Zubau auf dem Küniglberg im Rahmen der bestehenden Widmung realisieren. Das war nicht so. Deshalb haben wir dieses Thema. Es ist nicht alles erwartungsgemäß gelaufen, aber wir haben jeweils rasch und konsequent reagiert.

STANDARD: Kurzum: Es läuft auf 240 Millionen Euro für die Sanierung hinaus statt 303 für das Gesamtprojekt, der Zubau wird eingespart? Oder kostet die Sanierung schon mehr als geplant?

Wrabetz: Zahlen kommentiere ich nur gegenüber dem Stiftungsrat.

STANDARD: Das Thema Sanierungsbedarf des Küniglberg-Zentrums ist seit 2004/5 auf dem Tisch – jedenfalls gab es da erste Veröffentlichungen darüber. Hätte man darüber nicht viel früher entscheiden können – und dann nicht raus müssen, bevor man fertiggeplant hat?

Wrabetz: Es hat sich in den Jahren nichts verschlechtert. Aber es sind dann umfassende Gutachten erstellt wurden, die die Standsicherheit infrage stellten. Die gab es vorher ja nicht. Das Haus wäre aber nach menschlichem Ermessen so auch nicht zusammengebrochen.

STANDARD: Ich höre von Trägern, die nur noch einen Zentimeter Auflagefläche hatten. Aber wo wir schon bei den Langfristprojekten sind: Channel Manager planen Sie auch schon zumindest seit 2009. Nach Ihren Newsroom-Halbwertszeiten könnten auch die langsam wieder aus der Mode kommen.

Wrabetz: Nein, die Channel-Struktur ist hochaktuell. Das Prinzip des Newsrooms, des vernetzten Arbeitens ist ja auch nicht obsolet. Die Frage ist nur, in welcher Form. (fid, 27.4.2017)

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