Wien – Die Europäische Kardiologie-Gesellschaft (ESC) hat umfassenden Behandlungsprogrammen für Herzinsuffizienzpatienten die höchste Empfehlungskategorie 1A "verliehen". Diese würden in Österreich flächendeckend fehlen und seien von Gesundheitspolitik und Krankenkassen dringend zu fordern.

"Wir schätzen, dass in Österreich zwischen 250.000 und 300.000 Menschen an chronischer Herzinsuffizienz leiden. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate ist 50 Prozent, schlechter als bei manchen Krebserkrankungen. Wenn ein Patient nach einem Spitalsaufenthalt wegen einer akuten Verschlechterung entlassen wird, beträgt die Re-Hospitalisierungsrate binnen 30 Tagen 20 Prozent, innerhalb von drei Monaten 40 Prozent und innerhalb von sechs Monaten 50 bis 60 Prozent", sagt Rudolf Berger, Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).

Verbesserte Behandlungsmöglichkeiten

Die medikamentösen und interventionellen Behandlungsmöglichkeiten hätten sich enorm verbessert, doch der Experte fügt hinzu: "Das Problem ist, dass sie nicht alle Patienten erreichen, wie sie es sollten." Die engmaschige Kontrolle der chronisch Kranken durch Internisten, Kardiologen und Herzinsuffizienz-Spezialisten werden in der niedergelassenen Praxis nicht ausreichend honoriert, es gebe auch von Krankenkasse zu Krankenkasse Unterschiede bei der Bezahlung notwendiger und aussagekräftiger Laboruntersuchungen.

Der stellvertretende Leiter der ÖKG-Arbeitsgruppe, Deddo Mörtl, sagt: "Seit 20 Jahren haben wir die Evidenz aus vielen Studien, dass mit einem ambulanten Disease Management Programm die Rehospitalisierungsrate um 30 Prozent und die Sterberate um bis zu 44 Prozent gesenkt werden kann." Solche Programme bestehen aus der Vernetzung von spezialisierten Ambulanzen mit niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen und zum Beispiel regelmäßigen Hausbesuchen von besonders ausgebildetem Pflegepersonal. Derzeit existierten in Österreich etwa zehn kleinere Pilotprojekte dazu, eine flächendeckende Versorgung fehle, obwohl diese Disease Management Programme (DMP) für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und hohem Risiko einen ähnlichen wissenschaftlichen Empfehlungsgrad besäßen wie Insulin für Diabetiker.

Krankenhausaufenthalte reduzieren

Mörtl: "Die Kosten der Herzinsuffizienz betragen in Österreich pro Jahr rund 350 Millionen Euro. Zwei Drittel davon sind die Spitalsaufenthalte. Eine 30-prozentige Reduktion (durch ein Disease Management Programm; Anm.) wäre bereits kostenneutral." Eine gut erreichbare noch stärkere Verringerung der Herzinsuffizienz-bedingten Krankenhausaufenthalte würde für Gesundheitswesen und Volkswirtschaft einen Gewinn bringen. Die Experten fordern deshalb von Gesundheitspolitik und Krankenkassen dringend die flächendeckende Etablierung eines Herzinsuffizienz-DMP in Österreich.

Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden an chronischer Herzschwäche. Bei den über 70-Jährigen sind es bereits rund zehn Prozent. Auch die immer besser gewordenen Therapien beim akuten Herzinfarkt mit mehr Überlebenden bringen mit sich, dass die Zahl der Menschen mit einem geschädigten Herzmuskel steigt. Die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, Ursula Frohner, betont die zentrale Rolle von Pflegekräften in einer strukturierten Betreuung der Herzinsuffizienzpatienten. Sie könnten durch Organisation der Betreuung, Hausbesuche und Beratung helfen. Dazu benötige es aber auch der Schaffung von speziellen Ausbildungsprogrammen. (APA, 4.5.2017)