Man werde sich den geplanten Radweg auf dem Wiener Getreidemarkt, der wegen einer einzusparenden Kfz-Spur für Proteste sorgt, "noch einmal anschauen", sagt Bürgermeister Michael Häupl. Was er damit konkret meint, lässt er offen. Denn er weiß, dass es bereits zu spät ist, das Projekt zu stoppen. Es durchlief einen Planungsprozess und wurde – wohlgemerkt mit SPÖ-Stimmen – im Gemeinderat beschlossen. Die Verkehrssituation auf dem Straßenabschnitt beim Naschmarkt ist bekannt, eine Neuaufrollung würde keinen Erkenntnisgewinn bringen.

Mit seinem Sager will Häupl etwas anderes erreichen: Er sammelt Sympathiepunkte für seine angeschlagene SPÖ, indem er sich von der grünen Radlerpartie abgrenzt. In den autofahrerfreundlichen Flächenbezirken sind für die Roten die meisten Wählerstimmen zu holen.

Der Sager kann auch als Seitenhieb auf den Koalitionspartner verstanden werden, der zuletzt mit der von der grünen Basis forcierten Urabstimmung die Debatte über das Heumarktprojekt noch mehr verkompliziert hat.

Vergessen wird bei dieser Taktik, dass der Getreidemarkt exemplarisch für eine Verkehrspolitik stehen könnte, die für alle in Wien von Vorteil wäre. Wenn mehr Menschen das Auto stehenlassen, weil sie mit dem Rad sicher und schnell vorankommen, gäbe es insgesamt weniger Kfz-Verkehr. Die Folgen: bessere Luft – und mehr Platz für jene, die unbedingt Auto fahren müssen oder wollen. (Christa Minkin, 9.5.2017)