Emmanuel Macrons Partei soll dem neuen Präsidenten die Parlamentsmehrheit beschaffen.

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Emmanuel Macron wird am Sonntag bei der Amtsübergabe durch François Hollande in den Pariser Élysée-Palast einziehen. Wie er dort regieren soll, weiß er aber noch nicht. Bisher parteilos, wandelt der 39-Jährige seine vor einem Jahr gegründete Bewegung En Marche eben erst in eine politische Formation namens La République en Marche (REM) um. Ziel ist es, bei den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni in allen 577 Wahlkreisen mit eigenen Kandidaten anzutreten – und auf Anhieb eine Mehrheit zu erringen.

Die Franzosen geben den frisch gewählten Präsidenten normalerweise eine komfortable Regierungsmehrheit mit auf den Weg, damit sich das Wahlprogramm auch umsetzen lässt. Diesmal ist aber alles anders. Gleich vier Blöcke haben bei den Präsidentschaftswahlen je 20 Prozent der Stimmen erzielt: das Macron-Lager, die Republikaner, der Front National sowie die linke France insoumise von Jean-Luc Mélenchon.

Großer Andrang

Erschwert wird die Lage, weil Macron zumeist unerfahrene Kandidaten ins Rennen schickt. Damit löst der neue Präsident sein Versprechen ein, der französischen Politik ein "neues Gesicht" zu verleihen. Nicht gehalten hat er aber sein Versprechen, auf einen Schlag alle 577 Kandidatinnen und Kandidaten vorzustellen. Zu den bereits früher 14.000 eingereichten Bewerbungen erhielt die Partei nach Macrons Wahl weitere 1500 Lebensläufe. Sie hätten zuerst noch ausgewertet werden müssen, sagte Generalsekretär Richard Ferrand am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

In Wirklichkeit bleibt die Lage in Dutzenden von Wahlkreisen sehr umstritten. Macron will möglichst viele konservative und sozialistische Abgeordnete auf seine Seite ziehen. Ferrand musste einräumen, dass vorerst kein Republikaner übergelaufen sei. Ihnen halte REM "noch Plätze frei".

Zwischen den Stühlen

Dagegen haben 24 sozialistische Abgeordnete in Macrons Lager übergesetzt. Ihre Hemmschwelle scheint nicht nur wegen ihrer politischen Nähe niedriger zu sein, sondern auch weil ihre Partei nach der Präsidentenwahl auf ein Fiasko bei der Parlamentswahl zusteuert. Expremier Manuel Valls hatte seinen fliegenden Wechsel schon zu Wochenbeginn erklärt. Bloß hatte er gar nicht angefragt, ob er bei den Macronisten überhaupt willkommen sei. Das war ein Fauxpas – als Premier hatte Valls seinen Wirtschaftsminister Macron mehrfach desavouiert. Am Donnerstag erklärte Ferrand, Valls erhalte in seinem Wahlkreis in Evry keine Nominierung von REM. Allerdings will man auch keinen_Gegner aufstellen.

Die Begründung, Valls erfülle die Bedingungen nicht, klingt reichlich formalistisch. Auf jeden Fall findet sich Valls nun zwischen den Stühlen: Der Parti socialiste hat bereits ein Ausschlussverfahren gegen ihn lanciert. Von den 428 Kandidatinnen und Kandidaten, die REM schon bestimmt hat, haben 52 Prozent noch nie ein politisches Mandat ausgeübt. Wie von Macron versprochen, sind die Hälfte Frauen. 95 Prozent sind Neukandidaturen – ein Risiko. (Stefan Brändle aus Paris, 11.5.2017)