Neue Cholera-Verdachtsfälle in der Hauptstadt Sanaa.

Foto: AFP / Mohammed Huwais

Sanaa/Wien – Manchmal schlägt die verzweifelte Situation, in der sich der Jemen befindet, ins Absurde um: Al-Kaida hat in der Stadt Taiz ein Islam-Quiz organisiert, das die Menschen auf den herannahenden Ramadan vorbereiten soll, berichtet Reuters. Wer die Fragen richtig beantwortet – zum Beispiel: Gib drei Referenzen dafür an, dass jeder, der das islamische Recht nicht einhält, als Ungläubiger getötet werden muss –, hat die Chance, eine Kalaschnikow zu gewinnen.

Taiz ist eine von den Kämpfen zwischen den Huthi-Rebellen und der saudisch geführten Allianz, die im Namen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi gegen die Huthis kämpft, besonders hart getroffene Stadt: fruchtbarer Boden für Radikalismus. Aber die Jemeniten leiden im ganzen Land: Jan Egeland, humanitärer Berater der Uno, warnt vor einer Hungersnot von "biblischem Ausmaß". Von sieben Millionen akut vom Hungertod Bedrohten werden nur etwa drei Millionen vom World Food Programme (WFP) erreicht, vier Millionen, davon eine halbe Million Kinder, gehen leer aus. Eine Cholera-Epidemie breitet sich aus. Eine Jemen-Geberkonferenz der Uno im April hat nur die Hälfte des Geldes zusammengebracht, das benötigt wird.

Die Schließung Hodeidas

Entscheidend für die Versorgung ist der Hafen Hodeida an der jemenitischen Westküste, auch das WFP bringt hier 80 Prozent seiner Hilfsgüter ins Land. Seit Wochen wird ein Angriff der Saudi-Allianz erwartet. Uno-Sondergesandter Ould Cheikh Ahmed sucht nach Wegen, einen Kompromiss zu vermitteln, denn der Ausfall Hodeidas würde die humanitäre Katastrophe noch beschleunigen. Sogar die Saudis, die den Krieg ohne jede Rücksicht auf Zivilisten führen, sind zögerlich – bestimmt auch deshalb, weil der Unmut über den Krieg und Washingtons Unterstützung dafür in den USA wächst.

Aber die Einnahme von Hodeida ist deshalb so attraktiv, weil die Huthis dadurch ihrer Einnahmen durch die Besteuerung von durch den Hafen kommenden Waren beraubt würden. Laut Saudi-Arabien kommen auf diesem Weg auch iranische Waffen ins Land.

Mehr als zwei Jahre dauert die saudische Intervention bereits. Die Huthis haben zwar den Süden wieder verloren, der Norden ist aber fest in ihrer Hand. Aber auch in den Gebieten, in denen nominell die Regierung Hadi wieder die Kontrolle hat, stehen die Dinge nicht so einfach.

Spannungen in der Koalition

Im Süden haben sich die Separatisten wieder kräftig zu Wort gemeldet. Am Donnerstag haben sie einen "Südlichen Übergangsrat" gebildet, der sowohl einen Militärrat als auch eine "auswärtige Vertretung" aufbauen will: Das läuft auf eine Regierung hinaus. Chef ist der Exgouverneur von Aden, Aidarus Zubaidi, den Hadi jüngst entlassen hat, was zu Demonstrationen führte. Zubaidi konnte fünf Provinzgouverneure und zwei Minister für seinen Rat gewinnen, das heißt, er hat Unterstützung.

Die Gründung des "Übergangsrats" ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die auch Spannungen innerhalb der Anti-Huthi-Koalition offenlegte. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind an der Seite Saudi-Arabiens militärisch stark im Jemen engagiert, haben aber einen mittlerweile offenen Konflikt mit dem Mann Riads, Hadi.

Die VAE stehen beim Kampf gegen die Muslimbruderschaft in der arabischen Welt an vorderster Front, deshalb unterstützen sie etwa auch, gemeinsam mit Ägypten, General Khalifa Haftar in Libyen. Dem Jemeniten Hadi werfen sie vor, sich zu sehr auf die Islah-Partei – die jemenitischen Muslimbrüder – zu stützen, und würden ihn gerne loswerden. Hadi wiederum beschuldigt die VAE, hinter den Separatisten zu stehen.

Emiratischer Kronprinz

Hadis Kontrahent ist der Kronprinz von Abu Dhabi und Vizechef der emiratischen Streitkräfte Mohammed bin Zayed Al Nahyan. Hadi soll ihn beschuldigt haben, sich im Jemen wie ein "Besatzer" aufzuführen. Das wird allerdings von Middle East Eye berichtet, das dem Muslimbrüder-freundlichen und mit den VAE konkurrierenden Golfstaat Katar nahesteht.

In einer anderen Entwicklung scheint Jemens Expräsident Ali Abdullah Saleh, der bisher auf der Seite der Huthis steht, eine Wende zu vollziehen und sich den Saudis anzubieten. Und um das Bild abzurunden: Die Berichte über eine russische Jemen-Diplomatie mehren sich – die darauf hin auslaufen soll, dass sich Russland eine Marinepräsenz in einem jemenitischen Hafen sichert. (Gudrun Harrer. 13.5.2017)