Bild nicht mehr verfügbar.

Xi Jinping empfängt seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Österreich wurde von Botschafterin Irene Giner-Reichl vertreten

Foto: AP/Roman Pilipey
Foto: Standard

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Installation der "Goldenen Brücke der Seidenstraße" zeigt, welch Mammutprojekt hier auf die Verwirklichung wartet.

Foto: Reuters/Thomas Peter

Nordkoreas isolierter Machthaber Kim Jong-un provozierte nicht nur den UN-Sicherheitsrat, der gerade über neue Sanktionen gegen Pjöngjang brütete. Mit dem Test seiner Rakete, die er in der Morgendämmerung auf Sonntag 700 Kilometer weit ins Meer schoss, überraschte er auch Peking. Als Abschussplatz wählte der Diktator Kusong im äußersten Norden Nordkoreas, nahe an der Grenze zu China. Vergangenen Monat hatte der Schanghaier Historiker Shen Zhihua öffentlich das sich atomar hochrüstende Nordkorea als "potenziellen Feind" Pekings bezeichnet. "Wie kann China seine Seidenstraßen-Initiative nach Westen ausbauen, wenn einer hinter seinem Rücken mit Feuer zündelt?"

Chinas Staatschef Xi Jinping versuchte Kims Rakete bei seinem nur drei Stunden später eröffneten Seidenstraßen-Gipfel zu ignorieren. Vor 29 Staats- und Regierungschefs und Ministern aus 110 Ländern äußerte er sich nur indirekt über die geopolitischen Risiken der chinesischen Initiative und ihr instabiles Umfeld. Viele Teile der Seidenstraße, in denen einst "Milch und Honig flossen", seien heute Krisengebiete "voller Aufruhr". Diese "Brennpunkte müssten politisch entschärft werden."

"Jahrhundertprojekt"

Xi nannte seine 2013 aus der Taufe gehobene Idee, Chinas historische Handelswege zu Wasser und zu Meer erneut zu beleben, ein "Jahrhundertprojekt." Peking will Eurasien und Afrika wirtschaftlich neu vermessen und infrastrukturell vernetzen lassen. Es hofft unter seiner Regie der Weltwirtschaft ein neues Konjunkturprogramm zu bescheren.

Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Willkommensbankett hob Chinas Staatschef Xi Jinping die Vorzüge der neuen Seidenstraße hervor. Doch die Finanzierung steht noch auf wackeligen Beinen.
Foto: Reuters/Wu Hong

Doch inzwischen plagt Peking die Frage, wer die gigantisch teuren und risikoreichen Infrastrukturprojekte finanzieren soll. Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde bezifferte auf dem Gipfel den Betrag, allein um die Infrastruktur-Kluft der Entwicklungsländer in Asien und Afrika zu überbrücken, auf jährlich 1,5 Billionen US-Dollar. Wirtschaftsforscher unter dem Pekinger Staatsrat veranschlagen für den Zeitraum 2016 bis 2020 einen Investitionsbedarf für Infrastrukturprojekte von 10,6 Billionen US-Dollar, schrieb die "China News". Statistikchef Ning Jizhe sagte, dass Chinas Staatsunternehmen seit 2013 mehr als 50 Milliarden US-Dollar in Staaten hineinpumpten, die zu den 56 Ländern der Seidenstraßen gehörten. 50 der insgesamt 102 staatlichen chinesischen Großkonzerne, die für 70 Prozent aller Auslandsinvestitionen verantwortlich sind, investierten in 1.700 Projekte in Seidenstraßenländern, enthüllte SASACC-Aufseher über die Staatsindustrie Xiao Yaqing.

Zugverbindungen im Werden

Peking macht kein Hehl daraus, dass seine Seidenstraßenoffensive vom Staat ausgeht, von Staatsunternehmen durchgeführt und von Staatsbanken finanziert wird. Gebaut wurden bisher Frachtbahnlinien bis nach Europa, Zugsysteme in Afrika, wie die 750 Kilometer-Strecke von Äthiopien nach Djibouti. Weitere afrikanische und asiatische Zugverbindungen sind im Bau, von Mombasa nach Kenias Nairobi, von China nach Laos und Thailand.

Hafenbau und Hafenübernahmen sind Spezialitäten in China – von Sri Lanka, Griechenlands Piräus, Pakistans Gwadar bis Djibouti. Dort bauen zur Zeit statt einheimische Arbeiter 10.000 Chinesen einen strategischen Hafen für China, wie der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller kritisch anmerkte, als er vergangene Woche Peking besuchte.

Zugleich investierten chinesische Konzerne in 60 Energie-Projekte in 20 Seidenstraßen-Staaten, darunter in den Bau von Öl-und Gaspipelines von Russland und Kasachstan. In Pakistan errichtet China den größten unter den sechs entlang der Seidenstraße geplanten Wirtschaftskorridoren. Eine mehr als 10.000 Mann starke Armee schützt Chinas Arbeiter, Ingenieure und seine Projekte vor Terroranschlägen.

15 Milliarden Dollar für weiteren Ausbau

Bisher ging Chinas Staat in die Vorleistung. Xi kündigte in seiner 50-minütigen Rede an, den Ende 2014 mit 40 Milliarden US-Dollar gegründeten "Seidenstraßenfonds" um weitere fast 15 Milliarden US-Dollar aufzustocken. Die China Development Bank und die Export-Import Bank müssen neue Spezialkredite für Infrastrukturprojekte im Gesamtumfang von 380 Milliarden Yuan (55 Milliarden Dollar) vergeben. Xi bat auch die neu gegründete Internationale Asiatische Investitionsbank (AIIB), der 77 Staaten angehören und die Weltbank sowie die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) um Finanzierungshilfe. In seiner Rede, in der er sich zum offenen, liberalisierten und gerechten Welthandel bekennt, verlangt Xi für seine Seidenstraßen-Initiative, ein stabiles und nachhaltiges Bank-Sicherheitsystem aufzubauen, das Risiken unter Kontrolle halten, zur besseren Zusammenarbeit zwischen staatlicher und privater Finanzierung ermutigen und einen vielschichtigen Kapitalmarkt ausbauen kann.

Hintergrund dafür sind massive Warnungen, die aus Chinas eigenen Reihen kommen. Peking könne kein Solotänzer bei der Infrastruktur-Finanzierung sein, schrieb Zentralbankchef Zhou Xiaochuan in der am Wochenende erschienenen Zeitschrift für Finanzforschung "China Finanz". Die Projekte mit ihren langen Laufzeiten müssten sich auch wirtschaftlich rechnen, appellierte der Vizepräsident der Zentralbank Yi Gang im Interview mit dem Parteiorgan "Volkszeitung": "Finanzknappheiten bedrohen die Projekte. Die Nachfrage nach Kapital ist groß. Es gibt eine dringende Forderung nach internationaler Unterstützung."

Frage der Abrechnung

Große Risiken warten in einer Reihe von Ländern auf chinesische Geldinstitute, warnte auch Wang Zhaoxing, Vizepräsident der Bankenaufsicht. Probleme machten auch Währungsschwankungen und die Frage, in welcher Währung abgerechnet wird – ob in US-Dollar oder in Chinas Renminbi.

Bild nicht mehr verfügbar.

Brigitte Zypries, deutsche Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, plädierte für offenere Märkte und mahnte China.
Foto: AP/Ng Han Guan

Botschafterin vertritt Österreich

Für Österreich hätte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) eine Wirtschaftsdelegation bei der Seidenstraßen-Konferenz in China anführen sollen. Leichtfried hat seine Teilnahme aber kurzfristig unter Verweis auf die Regierungskrise in Österreich abgesagt. Aus der Wirtschaftskammer kommt Kritik an der Absage. "Die Chinesen legen großen Wert auf Vertrauen und Harmonie, da ist es ein Gebot der Höflichkeit, Termine nicht so kurzfristig abzusagen", meint Walter Koren, Chef der Außenwirtschaftsorganisation, gegenüber dem "Kurier". Österreich werde nun bei der Konferenz durch die Botschafterin in China, Irene Giner-Reichl, vertreten, heißt es aus dem Ministerium.

Kritisch äußerten sich auch manche Teilnehmer auf dem Gipfel, deren Reden dennoch live von Chinas Staatsfernsehen übertragen wurden. Deutschlands Wirtschaftsministerin Zypries verwies auf die Probleme, die deutsche und europäische Unternehmer beim Marktzugang in China haben, plädierte für offene Märkte, transparente Ausschreibungen nach internationalen Standards. Sie warnte davor, dass bei der Globalisierung und beim Freihandel eine Politik der "Einbahnstraße" oder nur die eines "Ein-Zentrum" zu verfolgen. Die deutsche Seite sei gegen jeglichen "Trend, nationale Märkte zu schließen oder neue Hindernisse für den Handel zu setzen. Das ist ein Risiko für das globale Wachstum." Es müsse überall ein gleiches Spielfeld geben und der private Sektor fair beteiligt sein.

Das war eine Rüge an Chinas doppelte Standards nach innen wie nach außen. Solche offenen Worte sollten nach Ansicht der Europäer auch in der für Montag geplanten gemeinsamen Abschluss-Erklärung zum Handel in der Seidenstraße stehen. Am Sonntag rangen die Teilnehmer noch darum, weil sie die sonst unausgewogene Erklärung nicht mittragen könnten. Das käme einem kleinen Eklat für Peking gleich, nachdem Staatschef Xi seine Seidenstraßeninitiative überschwänglich als "fair, offen, inklusiv, transparent, zum gegenseitigen Vorteil" anpries.

Internationale Zusammenarbeit

Unter Xis Staatsgästen reihten sich neben den Präsidenten Russlands und der Türkei auch Argentiens Präsident Mauricio Macri oder Chiles Präsident Michelle Bachelet ein. Längst versteht Peking die Seidenstraße nicht mehr nur als Weg nach Eurasia oder Afrika, sondern setzt auf globale Konnektivität. Chinas Regierung betrachte ihre Seidenstraßen-Initiative als Projekt der internationalen Zusammenarbeit sagte Außenminister Wang Yi schon im April.

Staatschef Xi begrüßt Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
Foto: AFP/Jason Lee

Im 2015 offiziell vorgelegten Aktionsplan zur Seidenstraße waren noch drei Landrouten eingezeichnet. Die Nördliche führt durch Zentralasien, Russland und dem baltischen Meer bis nach Europa. Die Mittlere verbindet China mit dem Persischen Golf und dem Mittelmeer. Die Südliche verläuft über Südostasien zum Indischen Ozean. Zwei Meeresrouten gehören auch zur Seidenstraße.

Während Xi von der Schicksalsgemeinschaft spricht, zu der die Menschheit dank Chinas Hilfe und der Seidenstraße zusammenfinden soll, sieht es Chinas wichtigste finanzpolitische Zeitschrift "Caixin" profaner. Es sei ein "ehrgeiziges Programm, ein Infrastrukturnetz aufzubauen, um China mit dem energiereichen Zentralasien, Europa und Afrika zu verbinden. Zugleich geht es auch um Chinas Absichten, seine Überschüsse an Stahl, Zement und anderer Schwerindustrien zu exportieren. Sie müssten mit ihren Überkapazitäten fertig werden, nachdem sie ihre Produktion aufgrund massiver Staatssubventionen jahrelang ausgedehnt hatten." (Johnny Erling aus Peking, 15.5.2017)