Haare schneiden ist nicht schwer, Friseur sein hingegen sehr.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Aus der Not wird hin und wieder eine Tugend gemacht.

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Wien – Messer, Gabel, Schere und Licht seien für kleine Kinder nicht, gebietet ein bekannter Reim. Dass solch patriarchal-gerontozentrische Strukturen zu überdenken seien, darauf baut Haircuts by Childen auf. Am Samstag und Sonntag boten die Festwochen jeweils vier Stunden lang und gratis Gelegenheit, im "Hipsterhairstyleparadies" Franz und Gloria in Wien-Neubau dieser Bevormundung entgegenzutreten. Engstirnigen wurde das Hirnkastl freigeschnitten.

Er habe ein Leben lang gebraucht, um wieder so zu malen wie ein Kind, pflegte Pablo Picasso seine Kunst zu erklären. Den Makel der Profession kennen die jungen Coiffeure nach viermal zwei Einweisungsstunden nur rudimentär. Trotzdem sind die fünf Stühle laufend besetzt. Die Freude über die Kundschaft ("Sind Sie Kunde?") ist groß, aber auch an bloß Schaulustige wird Holundersaft ausgeschenkt.

"Es sieht besser aus"

Sie sind klein, aber sie sind viele. Zu mehrt machen die Ottakringer Viertklässler sich an jedes Werk. Erwachsene stehen im Hintergrund und beraten kundig zum Einsatz der Werkzeuge, ihr Eingreifen sieht der Ablauf allerdings nicht vor. "Kinder können alles", und für Schäden werde nicht gehaftet, wird informiert. Im fliegenden Wechsel wandern die Schneidinstrumente durch eine Vielzahl von kleinen Händen. Meist bleibt es beim Spitzenschneiden (Damen), auf der Suche nach einer geraden Linie kann eine Haargrenze aber auch weit gen Scheitel rücken (Herren).

Es werde immer so, wie sie es sich vorstelle, sagt ein Mädchen. Ein Bub ist skeptischer, manches schaue auch blöd aus. Einander schneide man jedenfalls nicht die Haare.

Was herauskommt, weiß der Kunde erst am Schluss. Nicht immer sind die Kindercoiffeure sich über den Weg dorthin zudem einig. "Es sieht besser aus", wird einem bestätigt, auch er wird aber nachschneiden lassen müssen. Selfies macht man gerade deshalb.

Warum nicht auch wählen?

Fragen nach Verantwortung, Kontrollverlust und Vertrauen, nach Kindern zutraubaren Rechten und Pflichten wollen die Gruppe Mammalian Diving Reflex und Darren O'Donnell mit der interaktiven Performance aufwerfen – und Zutrauen in die Fähig- und Fertigkeiten der Kinder gewinnen lassen: Wenn ihr ästhetisches Urteilsvermögen trägt, warum sollten sie dann nicht zum Beispiel auch wählen dürfen?

Die These mag steil und manch Besuch ein Freundschaftsdienst am Veranstalter, am Salon oder eigenen Fleisch und Blut gewesen sein – aber Gewissenhaftigkeit und Eifer der Kinder beeindruckten. Die Stimmung war bei lauter Popmusik locker, die Kunden waren amüsiert, unzufrieden soll laut befangener Auskunft keiner gewesen. Haare wachsen ja nach. (Michael Wurmitzer, 21.5.2017)