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Gegen eine Amtsenthebung Trumps spricht unter anderem auch die Frage: Wer steht hinter seinem Schatten für den Job im Oval Office bereit.

Foto: AP Photo/Luca Bruno

Das amerikanische Volk kann der Qual der Trump-Präsidentschaft auf dreierlei Weise entkommen. Ob und wann sie es tun, ist eine irreduzible politische Frage, nicht eine, die von rechtlichen Möglichkeiten abhängt.

Erst einmal gibt es die Nixon-Methode, in der der Präsident, durch den Kampf ausgelaugt, verängstigt und nicht willens, sich den Vorgängen zu unterwerfen, die er vor sich auftürmen sieht, einfach zurücktritt. Könnte das wirklich der Ausstieg sein, den Trump wählen würde? Teilt er mit seinem fernen republikanischen Vorgänger eine Prädisposition zur Melancholie, die stark genug ist? Kann sich jemand vorstellen, dass ein triebhafter, narzisstischer, kindischer Mann das überlebensgroße Spielzeug, das der Topjob im mächtigsten Land des Planeten darstellt, kampflos herausgibt? Ich bezweifle es.

Zweite Möglichkeit: Artikel 4 des 25. Zusatzes zur Verfassung, 1967 ratifiziert, der einen Prozess darstellt, in dem der Vizepräsident und das Kabinett in Aktion treten können, um einen verstorbenen Präsidenten oder einen Präsidenten, der aus gesundheitlichen Gründen nicht regieren kann, zu ersetzen.

Das hätte der Fall sein können, vier Jahre früher, nach der Ermordung John F. Kennedys, wenn Kennedy nicht seinen Verwundungen erlegen wäre. Die Möglichkeit tauchte wieder auf, als Präsident Ronald Reagan erste Anzeichen einer Alzheimererkrankung zeigte.

Aber die derzeitige Situation zeigt keine Ähnlichkeit mit diesen Fällen. Trump mag instabil und nicht geeignet sein zu regieren, wie seine Gegner behaupten. Aber ist er das denn jetzt noch weniger als zu der Zeit, als das amerikanische Volk gewählt hat? Wahrscheinlich nicht.

Zu guter Letzt könnte ein Amtsenthebungsverfahren Abhilfe schaffen, eine Möglichkeit, die dieser Tage zunehmend offener in Washington diskutiert wird, begleitet (ein Zeichen der Zeit) von einem Buch, The Case for Impeachment von Allan J. Lichtman. (Der Politikhistoriker Lichtman erlangte Berühmtheit, weil er ein Modell entwickelte, das es ihm ermöglichte, die Wahl jedes US-Präsidenten von Reagan bis Trump vorauszusagen.)

Ein Amtsenthebungsverfahren, im Artikel 2 der Verfassung dargelegt, ist eine Prozedur zur Entfernung eines Präsidenten, Vizepräsidenten oder eines anderen hochrangigen Amtsinhabers (oder eines Richters), den man des "Verrats, der Bestechung oder anderer schwerer Delikte und Vergehen" verdächtigt.

Zweifel an Mehrheiten

Es ist ein komplexer Prozess, der sich in zwei Phasen entfaltet: Zuerst muss das Repräsentantenhaus mittels einfacher Mehrheit entscheiden, dass die Anklagepunkte schwerwiegend genug sind, um vor Gericht verhandelt zu werden. Dann wird eine umfassende Gerichtsverhandlung im Senat geführt, die eine Zweidrittelmehrheit erreichen muss, um den Amtsinhaber zu verurteilen und die sofortige Entfernung vom Amt einzuleiten.

Zwei Hauptgründe gibt es, um daran zu zweifeln, dass ein Amtsenthebungsverfahren die Welt von Donald Trump befreien könnte. Erstens gibt es das Kräfteverhältnis im Senat. Mindestens 19 republikanische Senatoren müssten sich den Demokraten anschließen, um Trump zu verurteilen. Derzeit könnte man mit maximal fünf rechnen, die das tun würden.

Die einzigen zwei Vorgänger im Präsidentenamt, gegen die solche Verfahren liefen (gegen Andrew Johnson wegen Machtmissbrauchs und gegen Bill Clinton wegen Meineids und Behinderung der Justiz), endeten mit Freisprüchen durch den Senat.

Zweitens ist da die Zögerlichkeit der demokratischen Parteiführer angesichts eines ultrakonservativen Vizepräsidenten Mike Pence, der den durch einen gefallenen Trump vakant gewordenen Platz einnehmen könnte. Würde man ihm nicht alle Sünden verzeihen wie vor nicht zu langer Zeit anderen Vizepräsidenten, die das Oval Office in Ausnahmeumständen betraten (Lyndon Johnson nach Kennedy, Gerald Ford nach Nixon)? Und was, wenn er im Amt bleibe, nicht nur für den Rest von Trumps Amtszeit, aber auch zwei eigene vierjährige Amtszeiten lang?

All das wäre wohl logisch. Aber die Zeiten haben sich seit Johnson, Ford und sogar Clinton geändert. In postmodernen Demokratien gibt es einen und nur einen Chef: die öffentliche Meinung. Und die öffentliche Meinung agiert nach ihrer eigenen Logik. Wie lange wird die amerikanische Öffentlichkeit die fast tägliche Dosis neuer Beweise von Interessenkonflikten dulden, angefangen von den Lizenzen von Trump-Marken für chinesische Investoren, auf der Höhe des Präsidentschaftswahlkampfs, zur Verwendung für Wellnesspaläste, Luxushotels und andere Immobilienprojekten?

Verbindungen zu Russland

Was ist mit Trumps finanziellen Verbindungen zu Russland und jenen seiner Geschäftspartner inklusive seines Sicherheitsberaters Michael Flynn und seines ehemaligen Wahlkampfmanagers Paul Manafort? Welche Hebel können von den russischen Oligarchen angesetzt werden, die 2004, als Trump in einem seiner Bankrotte versumpfte, für ihn einsprangen und seine Firmen sanierten und Luxusapartments im Trump World Tower kauften, nachdem er von amerikanischen Banken auf die schwarze Liste gesetzt wurde? Wird das alles nicht irgendwann seinen Tribut fordern?

Und schlussendlich, ist da die widerwärtige Behinderung der Justiz durch den Rausschmiss des FBI-Direktors James Comey, dessen Hauptdelikt die Weigerung zu sein schien, Trump von seiner Ermittlung gegen die kriminelle Eimischung des Kremls in den Wahlkampf 2016 auszunehmen. Was werden die Wähler aus den belastenden Enthüllungen machen, die nun bestimmt ans Tageslicht kommen werden, jetzt, wo Comeys Vorgänger, Robert Mueller, als Spezialberater ernannt worden ist, um die Verbindungen zwischen Russland und Trumps Wahlkampf zu untersuchen?

Die Zeichen, die auf einen öffentlichen Ekel hindeuten, mehren sich. Eine Initiative zur Petition, um Trump seines Amtes zu entheben, die John Bonifaz, Rechtsanwalt aus Massachusetts, ins Leben gerufen hat, hat mehr als eine Million Unterschriften gesammelt. Umfragen deuten darauf hin, dass eine Mehrheit der Wählerschaft Trumps Rücktritt gutheißen würde, wenn der Beweis erbracht würde, sein Wahlkampfteam hätte mit Russland zusammengespielt, um die Wahl zu beeinflussen. Und steigende Zahlen von Wählern teilen eben dies ihren Vertretern mit, welche früher oder später anfangen müssen zuzuhören, um ihre eigenen Chancen, gewählt zu werden, nicht zu gefährden.

Für Trump wird die wirkliche Gefahr dann kommen, wenn die Menge, die er während des Wahlkampfs eingefangen und gefesselt hat, sich gegen ihn zu wenden beginnt. Dieser Menge, wie scharfsinnige politische Beobachter von Plato bis de Tocqueville weidlich demonstriert haben, wird umso schwerer auszuweichen sein, je mehr man ihr die Herrschaft überlässt.

Der Worst Case ist nie unvermeidlich. Möge der Mob der populistischen Gezeiten wieder das große amerikanische Volk werden, ein Volk von Bürgern. Wenn das passiert, ist Trump endgültig Geschichte. (Bernard-Henri Lévy, 29.5.2017)