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Bürokratieabbau, der nicht für alle weit genug in die Tiefe reicht: Die Gewerbereform bringt zwar ein Ende der Teilgewerbe, bei der Zahl der reglementierten kommt jedoch noch eines hinzu.

Foto: Reuters

In der letzten Nationalratssitzung wurde die "Gewerbeordnungsreform" mittels eines Allparteienrückweisungsantrags in den Wirtschaftsausschuss zurückbefördert. Damit ist die Gewerbeordnung durch das freie Spiel der Kräfte (ausgerufen durch Bundeskanzler Christian Kern) als Gesetzesvorlage wieder geöffnet worden. Nun haben wir doch noch die Chance, etwas für die Gründerinnen und Gründer in unserem Land zu tun. Gründungskultur und Gründen sind Zukunftsinvestitionen in ein Land. Sie garantieren Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand, sozialen Frieden und Freiheit für jeden einzelnen Bürger.

Dabei ist es gar nicht so einfach, die wirklich tiefgreifenden Reformen bei der GewO trotz des neu ausgerufenen "Parlamentarismus" durchzubringen. Ich war bei meiner Forderung nach einer völlig neuen Gewerbeordnung immer schon für die bürokratischen Erleichterungen, vor allem jene im Betriebsanlagenrecht.

Generell geht aus den Gesprächen hervor, dass die ÖVP nicht gewillt ist, den Mehrheitsbeschaffern klein beizugeben. Hier stellt sich die Frage, ob Sebastian Kurz nicht doch mehr unter Kuratel der ÖVP-nahen Interessenvertretungen (in diesem Fall WKÖ) steht, als ihm selbst lieb ist.

Allerdings ist er mit seiner zwiespältigen Haltung nicht allein: Die meisten Parlamentsfraktionen meinen ab und an, dass Reglementierungen nur sinnvoll sind, wenn es um Leib und Leben sowie Vermögen und Umwelt geht. In der Praxis wird dieses Prinzip aber schnell über den Haufen geworfen, denn es geht vielmehr darum, die eigene Klientel zu bedienen (Umweltschutz bei den Grünen bzw. Überforderung der Bezirkshauptmannschaften als FPÖ-Argument ...).

Der SPÖ-Vorschlag kommt übrigens den Neos-Vorstellungen schon sehr nahe, wiewohl eine völlig neu aufgesetzte Gewerbeordnung nicht mehr möglich sein wird.

Die Gewerbeordnungsreform ist für uns ein Paradebeispiel, wie die etablierten Parteien ihr verkrustetes System und dessen Profiteure künstlich am Leben erhalten wollen. Einerseits wird den ÖVP-Wirtschaftsministern seit Jahren von der OECD ausgerichtet, dass die strikten Zugangsregeln für Gründungen in Österreich das Wachstum behinderten und die Beschäftigung hemmten. Und genau diese Partei hält sich auf der anderen Seite eine Zwangsvertretungsorganisation, deren Mitglieder sich nichts sehnlicher als Bürokratieabbau und Deregulierung wünschen.

Diesen Widerspruch erkennt man auch dann in der sogenannten "Reform": Sie ist eben keine. Es wird sogar ein zusätzlicher Gewerbeschein geschaffen (von 80 auf 81 Gewerbe).

Die österreichische Gewerbeordnung soll nicht reformiert, sondern komplett neu geschrieben werden. Denn aus heutiger Sicht ist die Gewerbeordnung nicht reformierbar.

Österreich muss die Zahl der reglementierten Gewerbe (derzeit 80) drastisch senken. Dabei bekennen wir uns zum Prinzip, dass Leib und Leben sowie Vermögen und Umwelt zu schützen ist. Eine Reduktion auf 26 Branchen würde das genannte Prinzip in keinem Fall gefährden.

Wir fordern einen Gewerbeschein (auch für mehrere Branchen). Das heißt: ein Gewerbeschein pro Gewerbetreibende. Dadurch wirkt man in einem ersten Schritt der inflationären Gewerbescheinentwicklung bzw. den Kammerumlagen entgegen.

Marktorientierte Tools

Der Befähigungsnachweis ist weiterhin wichtig (=Qualitätssicherung des Angebots). Es sollte eine Positivliste erstellt werden. Eine Liste der Tätigkeiten, die einen Befähigungsnachweis erfordern, wird vom Parlament beschlossen. Diese Festlegung unterliegt einer fünfjährigen "sunset clause" (Auslaufklausel).

Marktorientierte Tools der Qualitätssicherung funktionieren oft besser und sind effizienter: Zum Beispiel wäre es sinnvoll, dass jeder Gewerbetreibende eine Betriebshaftpflichtversicherung abschließt. Diese muss sämtliche Schäden abdecken, die durch die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit oder durch den Betrieb einer Betriebsanlage hervorgerufen werden. Der Aufbau der Gewerbeordnung muss unabhängig von der Wirtschaftskammer passieren: Die GewO muss inhaltlich logisch aufgebaut sein und darf nicht von den Strukturen der Wirtschaftskammer abhängen.

Schlussendlich: eine schlankere Interessenvertretung, ohne Pflichtmitgliedschaft. Hier sollte es in einem Dreistufenplan dazu kommen, dass wir in den nächsten fünf Jahren von Kammerumlagen 1 und 2 befreit werden und anschließend darüber abstimmen, ob wir eine Kammer in dieser Struktur und mit diesem Zwang noch brauchen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine modere Interessenvertretung des 21. Jahrhunderts keinen Zwang braucht und diese als Dienstleistungs- und Serviceorganisation neu erfunden werden kann, die erfolgreich ist und die Mitglieder auch mehr als zufriedenstellt.

Also: Gründerkultur heißt Zukunftsinvestition! Worauf warten wir noch? (Sepp Schellhorn, 31.2.2017)