Sprache nimmt heute noch mehr Bedeutung in Jonathan Meeses Werken und Auftritten ein als früher. Hier zu sehen: "BLUBB D'ART", PARSIFALS HEIMKEHR" von 2016.

Foto: Jan Bauer.Net / Courtesy Jonathan Meese and Galerie Krinzinger

Ganz frische, großformatige Gemälde hängen an den Wänden der Galerie Krinzinger. Meist sind sie mit 2017 datiert, und man darf behaupten, sie seien farbkräftig.

Es gibt keine schlechten Farben, sagt Jonathan Meese in der Filmdoku Eine Ameise der Kunst und lädt Acrylfarben in das Einkaufswagerl. Haufenweise. In selber Manier lädt er sie auf den Leinwänden wieder ab: Er schmiert mit den Händen, drückt direkt aus der Tube, lässt verrinnen, kritzelt mit den Fingern Buchstaben und Worte ins Farbamalgam. Anders ginge es ihm viel zu langsam.

Denn Meese ist ein unermüdlicher Arbeiter. "Propagandamaterial" nennt er seine Bilder und Skulpturen, sie sollen eine "Diktatur der Kunst" einleiten. Manisch wirkt er dabei, das ist seine Rolle. Ebenso wichtig wie die integrale Wortwut sind Zeichen und Symbole, harmlose wie Kreise oder Dreiecke, aber auch problematische wie etwa der Hitlergruß.

Liebe und Echsen

Nazigestik findet sich in diesen Arbeiten – hell wie Zuckerln und braunschlammig wie Gatsch – keine. Stattdessen arbeitet sich der 1970 in Tokio geborene Künstler an einem anderen deutschen Reizthema ab: Der Pakt mit Richard Wagnerz heißt die Begleitschau zu seinem Regiedebüt Mondparsifal bei den Festwochen.

"Richard" und "WALHALL" steht also auf die Bilder gekrakelt. Daneben "L.O.V.E." und "ZARDOZ". Letzteres verweist auf einen US-amerikanischen Sci-Fi-Fantasy-Film mit postapokalyptischem Hintergrund. Geschichte, Mythologie und Popkultur werden bei Meese eins. Wenn in diesem Durcheinander Figuren auszumachen sind, sind es meist gigantische und klobige Gestalten von der Anmutung eines Ritters oder verwesenden Aliens, dem die Haut ebenso wie die Farben in Fetzen vom Körper hängt. Sie tragen Gurte über der Brust und echsenartige Augen im Gesicht.

Anderswo in diesem Horror Vacui erkennt man ein Krokodil. Ein Huhn, dessen Kloake eine Spirale entwächst. Als gelbe Linienkontur ein Pferd mit gespaltener Schlangenzunge. Auch die Mutter taucht auf: wichtig im Parsifal-Stoff, wichtig für Meese. Mit ihr ist er im Volksschulalter (zurück) nach Deutschland übersiedelt, sie ist immer noch dabei, auch diesmal.

Meeses Inszenierung des Parsifal und seine Bilder wollen Wagner ohne Wagnerianismus. "Ich schiess die Blökwagnerianer aufn Scheissmond", steht auf einer von 45 A4-formatigen Collagen: Fotos, Texte und Übermalungen in Schwarz-Weiß. Immer wieder taucht darin das eigene Antlitz des 47-Jährigen auf und natürlich jenes von Wagner, einmal mit hypnotisch verdoppelten Augen.

Das Schönste an Meeses Kunst ist dieser Ausbruch, dieser geradezu kindliche Exzess. Er rackert an einem Mythos, der im Mittelalter beginnt und über Wagner und das Dritte Reich nun von ihm auch in der Malweise urgewaltig an die Wände "gespielt" wird. Manches im Motivvokabular mag brutal anmuten, ist aber doch voll Zutrauen. Nietzsches Zitat vom Chaos und dem tanzenden Stern fällt einem ein.

Nach Masken aus handgeschöpftem Papier, die eher aussehen wie Schilde, sind in den letzten beiden Räumen erstmals die sehr unterschiedlichen Entwürfe und Skizzen für den 2014 in Bayreuth gescheiterten sowie den in Wien stattfindenden Parsifal zu sehen. Anders als alle anderen ist ein Parsifal von 2014: fleischfarben, weiß gewandet, gülden geschmückt, blond. Auf seiner Fahne steht "K.U.N.S.T.". Ein Erlöser. (Michael Wurmitzer, Album, 3.6.2017)