Clara Wildberger dokumentierte den arabischen Tourismus im salzburgischen Zell am See: "Selamse" (2014–2016).

Foto: Clara Wildberger

Wien – Wie reist man von Mexiko in die USA, ohne die Grenze zwischen diesen Staaten zu überqueren? Ganz einfach: Man macht sich zunutze, dass die Erde nun doch eine Kugel ist und geht zirka lotrecht von der Grenze weg, immer weiter, bis man auf der anderen Seite ankommt. So jedenfalls hat es Francis Alÿs anno 1997 für seine Aktion The Loop gemacht.

Der in Mexiko lebende Künstler war eingeladen worden, an einer Ausstellung im kalifornischen San Diego teilzunehmen. Und es war das Produktionsbudget für ebendieses Gastspiel, das er in sein großräumiges Ausweichmanöver investierte. Von Tijuana über Santiago, Sydney, Seoul, gegen Ende das kanadische Vancouver führte ihn eine fünfwöchige (Flug-)Reise. In San Diego zeigte er die Dokumentation dieses "Loops".

Gemünzt auf die angespannte Situation an der US-mexikanischen Grenze, gemeint aber auch als Hinterfragung der ausgeprägten Reiseprivilegien des Kunstjetsets, wirkt The Loop heute erschreckend aktuell. An die gewitzte Aktion erinnert wird man derzeit im Kunstraum Niederösterreich: Alÿs’ Konzept ist eine von rund 15 Positionen in der Ausstellung Performing the Border.

Wer darf hier reisen?

Dass sich auch die titelgebende Arbeit – ein 1993 entstandener Videoessay Ursula Biemanns über die Situation von Frauen in der Grenzstadt Ciudad Juarez – mit Mexiko befasst, ist eher Zufall. Die von Jana Haeckel und Petra Poelzl kuratierte Schau fragt nach der politisch-geografischen Grenze im Allgemeinen. In den Blick rückt dabei insbesondere die Differenz zwischen einer (etwa dank Internet) immer grenzenloser scheinenden Welt einerseits und den zunehmend rigiden politischen Grenzen andererseits.

Wer darf hier eigentlich reisen und wer nicht? Diese Frage soll auch mit zwei Bildern aus einer Fotoserie Clara Wildbergers gestellt werden, die nach Zell am See führt. Seit geraumer Zeit wird der Salzburger Ort zahlreich von Arabern besucht, Klagen gibt es aber verhältnismäßig wenig. Warum? Diese Araber stammen etwa aus den Emiraten und kommen als Touristen. Zur Reflexion der hier wirksamen Vorzeichenverschiebung sollen etwa Porträts von Kopftuchträgerinnen am See anregen.

Mitnichten liebliche Muster

Verteilt in der Schau finden sich Betonboller von Hana Miletic. Do-It-Yourself-Ästhetik verströmend, sind sie Bollern zum Vertäuen von Booten nachempfunden, wie sie sich kroatische Bootsbesitzer bauten, nachdem sie sich in der ökonomischen Krise keinen Hafenplatz mehr leisten konnten. Raffinierterweise bilden diese Boller auch eine Grenze zu einem der Bilder Tiffany Chungs, deren Zeichnungen man eigentlich aus der Nähe betrachten müsste. Erst beim Näherkommen stellt sich nämlich heraus, dass sich hinter diesen lieblichen Mustern kartografische Annäherungen an die humanitäre Krise in Syrien verbergen.

Zu lernen gibt es dann aber auch noch eine ganz andere Variante als jene von Francis Alÿs’, um aus Mexiko in die USA zu kommen, und zwar in einem Video von Khaled Jarrar. In einer Performance im Vorjahr konstruierte der palästinensische Künstler Leitern – aus entwendeten Teilen des Grenzzauns. (Roman Gerold, 6.6.2017)