Das Putzen des Stiegenhauses gehört immer noch zu den Pflichten des Hausbetreuers. Aber viel mehr kommt heute noch dazu – und verlangt soziale Kompetenzen.

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Wien – Das Wohnhaus, so betonen Experten bei jeder Gelegenheit, ist vielleicht der Ort, wo der Erfolg und Misserfolg von Integration entschieden wird. Denn nirgendwo sonst verbringen Menschen unterschiedlicher Herkunft so viel Zeit gemeinsam. Durch die Öffnung des Gemeindebaus in Wien für Neuankömmlinge wurde dieser zum Brennpunkt zahlreicher Konflikte. Doch seit auch Genossenschaftswohnungen immer öfter an Menschen mit Migrationshintergrund, die in Wien die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, vergeben werden, müssen auch gemeinnützige Bauträger sich immer stärker der Frage widmen, wie sie das Zusammenleben verbessern können. Darin unterscheiden sie sich von privaten Bauunternehmen, betonte Herbert Ludl, Ex-Vorstandschef der Sozialbau AG. "Ein Finanzinvestor verliert mit dem Bezug das Interesse am Objekt, dann zählt nur noch die Rendite. Bei den Gemeinnützigen beginnt da erst die Arbeit." Und diese sei ein Schlüssel für den sozialen Frieden und die Sicherheit im Land.

Der Sozialwissenschafter August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation beschreibt die Konflikte im geförderten Wohnbau als Folge eines Generationenwechsels. In den 1980er-Jahren waren 80 Prozent der Bewohner solcher Anlagen Angestellte, Vertragsbedienstete und Beamte ohne Hochschulbildung. Einwanderer waren Arbeiter und wohnten anderswo. "Das hat sich in der Folge geändert", sagte Gächter. "Die homogene Schicht der 80er-Jahre musste zusehen, wie sie sich auflöst." Denn eingezogen sind einerseits Akademikerfamilien und Arbeiter mit Migrationshintergrund. "Nun hat Bildung eine Rolle zu spielen begonnen, und die Botschaft war, man sei zu dumm für den Arbeitsmarkt. Für viele Altbewohner wurde das zu einer Verlusterfahrung." Dies bekamen dann die weniger gebildeten Migrantenfamilien zu spüren.

Engagierte Hausbewohner

All diese gesellschaftlichen Trends erfordern neue Lösungen, betonte Margarete Huber, Projektleiterin für Community-Coaching bei Wohnbund Consult, die bei Integration berät. Sie setzt auf Bauträger, die sich auf die Herausforderungen der multikulturellen Gesellschaft einlassen – mit Gemeinschaftsräumen und gewerblich nutzbaren Flächen, niederschwelligen Begegnungszonen wie eher kleinteiligen Stiegen, mit einer engagierten Hausbetreuung "und engagierten Hausbewohnern, die im gemeinsam Leben mehr als nur Wohnen sehen". Aber auch die öffentliche Hand sei gefordert, denn "Integration soll nicht erst beim Bezug beginnen, sondern schon bei der Stadtentwicklung und -planung".

Für Isabella Stickler, die für die Wohnbetreuung der Alpenland verantwortlich ist, ist die Größe der Anlage entscheidend. Die meisten ihrer 162 in niederösterreichischen Gemeinden gelegenen Wohnhäuser haben nur wenige Einheiten, und dort stimme meist der soziale Friede. Die wenigen großen seien Problemzonen. "Ab hundert Einheiten bricht das soziale Gefüge auseinander", warnte Stickler.

Von erstem Kennenlernen bis Mediation

Diese Erfahrungen haben andere Wohnbauträger nicht gemacht: Große Anlagen erlauben mehr Ressourceneinsatz bei der Konfliktlösung. Walter Weiland von der Sozialbau beschrieb die vielen Ebenen, auf denen das Unternehmen arbeitet: vom ersten Kennenlernen der Mieter, wenn der Estrich fertig ist, über intensive Kommunikation mit der Hausverwaltung und einer raschen Mediation beim Auftreten erster Streitigkeiten.

"Ein Nachbarschaftskonflikt, der nicht behandelt wird, kann sich rasch ausweiten", sagte Weiland. "Ab einer gewissen Stufe suchen sich die Konfliktparteien Verbündete, und dann wird daraus ein Konflikt, der eine ganze Stiege betrifft." Man habe in einer Studie 245 Mediationseinsätze untersucht, und 73 Prozent seien erfolgreich gewesen. In 68 Prozent war Lärm der Konfliktgrund, und nur bei 28 Prozent waren Einwanderer involviert.

Verantwortung der Zentrale

Bei der Gesiba, zu der unter anderem auch der Wohnpark Alterlaa gehört, eine der Wiener Anlagen mit der höchsten Wohnzufriedenheit, gibt es Hausbetreuungszentren mit Hausbetreuern vor Ort, die wiederum von Mediatoren und etwa einer Rechtsanwältin mit Mediationserfahrung unterstützt werden. Entscheidend sei, dass alle Beteiligten für die Wohnbaugesellschaft arbeiten, sagte Vorstand Klaus Baringer: "Wir haben keine EPUs, keine Töchter, sondern 'One Face to the Customer'. Die Zentrale trägt die unmittelbare Verantwortung für das, was in den Anlagen passiert." (Eric Frey, 7.6.2017)