Bekenntnis zur Radikalität im wörtlichen Sinn: die Bürgerrechtlerin, Philosophin und Kommunistin Angela Davis im Porträt von Yolande du Luart (1972).

Identities

Wien – Ihre Verhaftung im Jahr 1970 wird Angela Davis kaum überrascht haben. Der afroamerikanischen Kommunistin und Unterstützerin der Black Panther Party war bereits ihre Lehrstelle an der University of California gekündigt worden, als sie – die erst dritte Frau – auf der Liste der zehn gesuchtesten Flüchtigen des FBI landete: Der 17-jährige Schüler Jonathan Jackson hatte die Entlassung seines Bruders zu erpressen versucht, seine Waffen waren auf Davis' Namen gekauft worden. Bereits zuvor hatte die "Terroristin" und "Staatsfeindin" – die wie viele andere politische Hintergründe vermutete – vehement gegen die Inhaftierung von Jackson und zweien seiner Mitgefangenen protestiert. Auch nach ihrer eigenen Festnahme ließ sie von ihrer Überzeugung nicht ab.

Für ihren Dokumentarfilm Angela Davis: Portrait of a Revolutionary (1972) montierte Yolande du Luart Aufnahmen, die sie von Davis in jenen Wochen machen konnte, zu einer dichten Stunde. Noch 45 Jahre später vermittelt dieses Porträt nicht nur viel über die Protestbewegung, sondern auch einiges über die Verfasstheit der USA im Jahrzehnt von Trayvon Martin und Donald Trump.

Hintergründe und Erläuterungen sind dabei gar nicht notwendig, es genügen allein die Ansprachen von Davis vor Demonstrierenden, in öffentlichen und privaten Diskussionsrunden, die lediglich von wenigen stillen Momenten außerhalb des Rampenlichts aufgelockert werden. Ihr Bekenntnis zur Radikalität im wörtlichen Sinn, also zum Verfolgen eines Problems bis zu dessen Wurzel, und ihre damit einhergehende Entschlossenheit müssen einem schlichtweg Respekt abringen.

Klassiker mit Mysterium

Mit der konsequenten Auffassung seiner Protagonistin, dass sich das Private und das Politische nicht trennen lassen, passt der ungeschliffene Schwarz-Weiß-Film über die Adorno- und Marcuse-Schülerin Davis auch bestens in das Programm des Queer-Film-Festivals Identities. Geht es diesem in den rund 90 gezeigten Kurz-, Dokumentar- und Spielfilmen doch nicht nur um Liebensformen abseits des Heteronormativen, sondern ganz generell um Entwürfe einer modernen Gesellschaft, an der alle Menschen gleichermaßen täglich teilhaben können. So kann auch Mary Dores reichhaltiger Dokumentarfilm über die zweite Welle des Feminismus, She's Beautiful When She's Angry, neben Le Rouge aux lèvres stehen, Harry Kümels als queerer Klassiker geltender Vampirfilm mit der stets von einem gewissen Mysterium umgebenen Delphine Seyrig.

Einmal mehr stehen auch Animationsfilme auf dem Programm, die bereits Kindern ab vier Jahren zeigen, dass es völlig in Ordnung ist, ein wenig anders als die Masse durch die Welt zu gehen. Etwa Julia Ockers furchtbar putziger Krake, der im gleichnamigen Animationsfilmprogramm beim Backen mit einem seiner eigenen Arme zu kämpfen hat, der den Kuchen gerne deutlich schokoladiger hätte. Mit Nachwuchs im Gepäck sollte die zweite Animationsschiene, Moms on Fire, hingegen nur mit anschließendem Aufklärungsgespräch besucht werden. Wenn in der titelgebenden Arbeit von Joanna Rytel gelangweilte Schwangere miteinander rummachen, weil man mit dem runden Babybauch selbst kaum noch unten rankommt, dann verstört das womöglich nicht nur deren Knetfigurenkinder. Ein Spaß, der im Eintreten für eine pluralistische Gesellschaft auch sein muss. (Dorian Waller, 9.6.2017)