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Emmanuel Macron hat sich einiges vorgenommen.

Foto: Reuters/CHRISTIAN HARTMANN

Von seinem Büro im fünften Stockwerk aus hat Jean-Claude Mailly einen weiten Blick über die Dächer von Paris – und über die politische Zukunft seines Landes. "Diese Arbeitsreform wird nicht durchgehen", prophezeit der Generalsekretär der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO, zu Deutsch "Arbeiterkraft"), und auf Französisch klingt das "passe pas" fast so kategorisch wie der Republikanerslogan "no pasarán" im spanischen Bürgerkrieg.

Nicht, dass Mailly aus Prinzip gegen jede Neuerung wäre: "Wir sind eine reformerische Gewerkschaft", betont der 64-Jährige, der seit 2004 an der FO-Spitze steht und einer der bekanntesten und beständigsten Gewerkschaftsvertreter seines Landes ist.

Sogar über die "heißen" Punkte von Emmanuel Macrons Reform würde Mailly mit sich reden lassen. Als Beispiel nennt er die geplante Deckelung der Abfindung bei betriebsbedingten Entlassungen.

Attacke gegen die Philosophie des Arbeitsrechts

Das Problem für Mailly ist: "Macron attackiert die ganze Philosophie des Arbeitsrechts, das sich in erster Linie auf Branchenabkommen stützt", führt der FO-Sekretär aus. "Macron will aber die Verhandlung auf die Betriebsebene verlagern und dadurch das ganze Arbeitsrecht aushebeln." Sogar bei den Löhnen, Überstunden und der Arbeitszeit sollen sich die Sozialpartner der einzelnen Unternehmen auf eigene Regeln einigen können. Und wenn sich die Gewerkschaften querlegen, entscheiden firmeninterne "Referenden", also Betriebsabstimmungen.

Für Mailly ist klar, dass die Arbeitsmarktreform auch auf eine Entmachtung der – auf Branchenebene starken – Gewerkschaften abzielt. "Das wäre inakzeptabel", meint Mailly, und dieses Wort wiederholt er immer wieder. So namentlich in Bezug auf die Absicht, es den Firmen zu überlassen, die Entlassungsgründe festzuschreiben.

Volkszorn weiterhin groß

Frankreichs Präsident will das Gesetz in den letzten Julitagen durch die Nationalversammlung peitschen. Wenn er diesen Sonntag (wie erwartet) eine Regierungsmehrheit erhält, wird er versuchen, sich im Parlament eine Blankovollmacht zur Beschlussfassung per "ordonnance" (Dekret) zu holen. Erhält er sie im Juli von der Nationalversammlung, will er, wie er sagte, das neue Arbeitsrecht bis zum 21. September per Federstrich in Kraft setzen.

In den letzten Tagen hat Macron sämtliche Sozialpartner im Élysée-Palast empfangen. Die CGT hat aber bereits klar gemacht, dass sie nach den Sommerferien Gegenmaßnahmen in Form von Protesttagen plant. Die CFDT, die eine erste, weniger weitgehende Arbeitsmarktreform unter Ex-Präsident François Hollande noch mitgetragen hatte, hält das Macron-Projekt für "unausgeglichen", schlägt aber die Tür noch nicht zu. Mailly warnt die Regierung: "Wenn sie weiterhin inakzeptable Vorschläge macht, gehen die Verhandlungen schnell zu Ende." Und seine Truppen auf die Barrikaden. Der FO-Boss räumt ein, dass nicht viel Zeit bleiben würde, wenn man den Ferienmonat August abrechnet. Aber er ist entschlossen zu kämpfen.

Volkszorn bleibt

Macron dürfe eines nicht vergessen, meint Mailly: "Der Volkszorn bleibt in Frankreich auch nach den Wahlen groß. Macrons demokratische Legitimität sei schwach. Und in Frankreich steht dagegen stets die sozialpolitische Legitimität – die der Straße.

Darüber hinaus steht das Schicksal Frankreichs auf dem Spiel: Der Arbeitgeberverband Medef hält die Macron-Reform für unerlässlich, um die lahme Landeswirtschaft wieder auf Trab zu bringen und sie auf EU-Niveau heben. Mailly will hingegen das seit dem Krieg gewachsene Arbeitsrecht bewahren. Das Dumme ist: Beides zusammen geht nicht. (Stefan Brändle aus Paris, 17.6.2017)