Der von US-Gerichten blockierte Plan von Präsident Donald Trump, die Einreise aus sechs zumeist muslimischen Staaten vorübergehend zu stoppen, hat in Europa Empörung hervorgerufen. Aber wie die jüngste Umfrage des Londoner Thinktanks Chatham House zeigt, denkt die Mehrheit der Europäer ähnlich – zumindest wenn es um echte Einwanderung geht. In Österreich sind sogar zwei Drittel gegen die Aufnahme von Migranten aus der muslimischen Welt. Das mag an der geografischen Exponiertheit des Landes liegen – oder auch an bewusst geschürten Stimmungen.

Das Umfrageergebnis legt das vielleicht größte Spannungsfeld in der europäischen Politik offen – eines, das auch bei den kommenden Nationalratswahlen eine große Rolle spielen wird. Aus völker- und europarechtlicher Perspektive sowie aus einem moralischen Blickwinkel wäre ein solcher Einwanderungsstopp inakzeptabel. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute; die meisten stammen aus mehrheitlich muslimischen Ländern – und sind selbst Muslime. Überhaupt keine Flüchtlinge aufzunehmen bzw. nach religiös-ethnischen Kriterien gegen die am meisten Gefährdeten zu diskriminieren, wäre ein Verstoß gegen alle Werte, auf denen Nachkriegseuropa errichtet wurde.

"Wir wollen diese Leute nicht"

Aber in den östlichen Nachbarländern ist das bereits die praktizierte Politik. Und angesichts der oft so andersartigen Haltungen und Lebensentwürfe muslimischer Migranten, ihrer Schwierigkeiten bei der Integration, ihrer schlechten Aussichten am Arbeitsmarkt und schließlich wegen der ständigen Terrorbedrohung durch radikalisierte Muslime ist es gut nachvollziehbar, dass auch hierzulande eine große Mehrheit sagt: Wir wollen diese Leute nicht.

Dass Europas gebildete Eliten anders denken, bietet wenig Trost. Es zeugt nur von der wachsenden Kluft zwischen unten und oben, die das Misstrauen vieler Bürger gegenüber allen Institutionen schürt. Und am Wahltag sind ohnehin alle gleich. Parteien und Politiker, die die Antimigrationsstimmung im Volk nicht beachten, tun dies auf eigene Gefahr.

FPÖ und Grüne bieten hier einfache Antworten: Die einen versprechen die totale Abschottung, die anderen lehnen fast jede Begrenzung ab. ÖVP und SPÖ, die beiden Parteien in der Mitte, sind hingegen zu einer Gratwanderung zwischen europäischen und internationalen Verpflichtungen sowie den Wünschen und Ängsten der eigenen Wähler verdammt. Dazu kommt das Wissen, dass eine allzu restriktive Politik gegenüber Zuwanderern deren Radikalisierung fördert – genauso wie eine zu tolerante Haltung.

Verzweifelte Suche nach Lösungen

Das führt zu einer oft verzweifelten Suche nach Lösungen, die aber entweder unzureichend oder unumsetzbar sind. Egal, ob Wien die Mindestsicherung für Flüchtlinge kaum antastet oder ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit drastischen Mitteln die Mittelmeerroute sperren will – der Zorn der Kritiker ist stets programmiert.

Verantwortungsvolle Politik muss es dennoch versuchen: Migration strenger kontrollieren, die Integration von Zuwanderern verbessern und den eigenen Bürgern Tag für Tag klarmachen, dass man um ein gewisses Maß an Einwanderung – von Flüchtlingen sowie von Arbeitsmigranten – nicht herumkommt. Wenn sich die Haltung der Österreicher in ein paar Jahren an den EU-Durchschnitt angleicht, dann ist schon viel gewonnen. (Eric Frey, 20.6.2017)