Die deutsche Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron stellten sich gemeinsam der Presse. Eigentlich sind gemeinsame Auftritte von Staatschefs nach einem Gipfel nicht üblich.

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Die faire Verteilung von Asylwerbern aus Italien und Griechenland auf die anderen EU-Staaten bleibt auch fast zwei Jahre nach dem von der EU-Kommission entwickelten Quotensystem eines der größten ungelösten Streitthemen der Gemeinschaft. Es habe diesbezüglich "leider keinen Fortschritt gegeben", zog die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel nüchterne Bilanz.

Da sich aufgrund des harten Widerstandes der Visegrádstaaten – Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien – kein Ergebnis abgezeichnet habe, habe man darauf auch "gar nicht viel Zeit verwendet", sagte sie. Merkel trat mit dem neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf, um die Entschlossenheit der beiden Staaten zu betonen, der Union neue Dynamik zu geben.

Deutsch-Französische-Einigkeit

"Wenn Deutschland und Frankreich nicht zusammen sind, geht es in Europa nicht voran", sagte der Franzose und kündigte entschlossene Initiativen mit Berlin an. Anders als in der Vergangenheit werde sein Land bei einer neuen Migrationskrise an der Seite Deutschlands stehen.

Der Franzose übte scharfe Kritik an den osteuropäischen Partnern, weil sie sich weigerten, die beschlossene Richtlinie zur Umverteilung der Flüchtlinge anzuwenden. Ungarns Premier Viktor Orbán erklärte, dass er von seiner ablehnenden Haltung nicht abrücken werde.

Es werde in Zukunft entscheidend sein, dass das Prinzip der Solidarität in Europa geachtet und belebt werde, betonte hingegen Macron, auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Keine Fortschritte verzeichneten die Regierungschefs auch bei den Plänen zur Reform eines gemeinsamen Asylsystems, der Dublin-Regeln.

Das Thema der irregulären Migration, insbesondere auf der zentralen Mittelmeerroute von Libyen nach Malta und Italien, war am zweiten Tag des Gipfels hingegen eines der Hauptthemen. Der Verlust von Menschenleben wie auch die anhaltenden Migrationsströme seien "ein dringendes und ernstes Problem", heißt es in den Schlusserklärungen. Ratschef Donald Tusk zeigte sich etwas enttäuscht, dass man bei dem Thema nicht sehr viel weitergekommen sei. Nun wurde als eine der wichtigsten Zielsetzungen formuliert, dass die EU-Staaten "die Kontrolle wiederherstellen müssen, um eine noch schlimmere humanitäre Krise zu verhindern".

Brexit und EU-Bürgerrechte

Geschehen soll das durch die Verstärkung längst beschlossener Maßnahmen, von mehr Unterstützung für die libysche Küstenwache bis hin zu Kooperationspartnerschaften mit den Herkunftsländern der Migranten in Afrika.

Eine erste Annäherung zeichnet sich bei den Brexitverhandlungen ab, bei der Absicherung der Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien nach dem EU-Austritt 2019 – bzw. von mehr als einer Million Briten in einem EU-Gastland.

Premierministerin Theresa May hat dazu einen ersten Vorschlag präsentiert. Demnach sollen alle EU-Bürger nach fünf Jahren Aufenthalt uneingeschränkt ein ständiges Bleiberecht haben. Offen ist aber, wann der Stichtag für eine solche Regelung festgesetzt wird. Aus EU-Sicht kann das erst der Tag des EU-Austritts sein. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte den Vorschlag einen ersten Schritt, aber "nicht ausreichend".

Initiativ werden will die EU zu Auswüchsen der Globalisierung, um bestimmte Branchen vor ausländischen Investoren zu schützen. Ziel: Ja zu offenem Handel, aber fair. (Thomas Mayer aus Brüssel, 23.6.2017)