Zwei Freimaurer zeigt diese Porzellangruppe (1740) nach einem Entwurf von Johann Joachim Kaendler. Reich mit Attributen versehen sind die Aufklärer mit den weißen Schurzen: Zirkel und Winkel stehen für Unendlichkeit und Gerechtigkeit – und eignen sich als Messinstrumente.

Österreichische Nationalbibliothek

Wien – Einigermaßen unbefriedigt entlässt einen die aktuelle Schau der Nationalbibliothek zu den Freimaurern wieder. Dabei findet sie im Prunksaal statt. Dabei gibt es Geschirr der Logen zu sehen, echte Abzeichen und Medaillen, historische Bücher und Originalroben. Dabei wurde sogar eine "Bruderkette" nachgebaut, eine traditionelle Aufstellung einander die Hände reichender Mitglieder des Bundes.

Ja, man bekommt viel von der elitären Runde zu sehen, die schon länger existiert, als es der Titel der Schau 300 Jahre Freimaurer auf den ersten Blick nahelegt. Doch 1717 schlossen sich in England mehrere kleine Logen zur ersten Großloge zusammen, das Datum gilt daher als der Beginn der modernen Freimaurerei.

Von diesem ausgehend erfährt man weiters, dass sich die Brüder nicht nur als Nachfolger der mittelalterlichen Steinmetze sehen – auch unter Priestern im alten Ägypten, den Tempelrittern der Kreuzzüge und der Londoner Royal Society (seit 1660) finden sie ihre Vorbilder. Und man stellt fest, dass die Leitwerte der Freimaurer teilweise zum Schlachtruf der Französischen Revolution wurden: als Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Man lernt überdies, dass komponierende Mitglieder wie W. A. Mozart statt eines finanziellen einen tönenden Beitrag entrichten konnten. Hinter Pappscheiben ist in O-Tönen von Aufnahmeritualen mit verbundenen Augen nachzulesen, und eine kleine Landkarte zeigt, wo überall auf der ganzen Welt verstreut ihre Tempel, meist nach antik-griechischem Vorbild gebaute Clubhäuser, stehen.

Wissen gegen Wuchern

Allerdings spulen die 16 Stationen und Schaukästen diese Erzählung dermaßen kritiklos ab, dass man darob durchaus enttäuscht ist. In ihrem Katalogvorwort beschreibt Johanna Rachinger, Direktorin der Nationalbibliothek, den Anspruch der Ausstellung damit, "gesichertes Wissen von wild wuchernder Fantasie zu trennen".

Das ist ehrenhaft und gut, und man möchte ja auch kein Verschwörungstheoretiker sein. Aber wenn es schon im ersten Schaukasten Die Freimaurer – Wer sind sie wirklich? heißt, sie würden als mächtiger Geheimbund denunziert, tatsächlich seien sie aber eine der ältesten Bruderschaften, die sich für ethische Werte und die Ziele der Aufklärung einsetze, stellt sich rasch Ernüchterung ein.

Dieser Ton ist so ärgerlich, weil er eine mit Widerspruch umgehen könnende Auseinandersetzung weiterfolgend unmöglich erscheinen lässt. Dabei ist das Thema der Ausstellung keines wie mittelalterliche Handschriften, die man interessant oder langweilig finden kann und für die es Publikum daher zuvorderst zu begeistern gilt. Sondern eines, das – gerechtfertigt oder nicht – seit je Gerüchte beflügelt und Argwohn befeuert. Schließlich waren mächtige Männer der österreichischen wie auch Welthistorie Freimaurer, üppiges Namedropping belegt das vor Ort.

Sturheit schadet dem Bund

Bei allen Irritationen, die allein die Nennung des Namens Freimaurer kulturhistorisch angehäuft hat, bleibt also nur eine Hagiografie zu betrachten. Die ist dafür aber in einer Mischung aus chronologischer und thematischer Ordnung leicht verfolgbar. So wie es sich vielleicht nur ohne ernsthafte (Be-)Nennung von Widersprüchen machen lässt. Kritische Karikaturen über den Männerbund zum Beispiel? Kamen vor allem von den Mitgliedern selbst! Ist damit alles geklärt?

In jüngerer Zeit stellt die Ausstellung österreichische Freimaurer als Politiker im Roten Wien (Wohnungsbau!), als von den Nationalsozialisten verfolgt und als zentrale Figuren etwa in der Fernsehlandschaft ab den 1960ern ("mutig", "innovativ") vor.

Gewinn wie Problem der Schau (bis 7. 1. 2018) liegen womöglich im selben Umstand begründet, der wäre, dass sie sich neben der eigenen Sammlung unter anderem aus den Archiven der Großloge von Österreich und dem Museum der Großloge von England speist. Die Sturheit der Positionen schadet letztlich der Wirkung des Bundes. Dem wahren Geheimnis, wie der Titel noch lockt, fühlt man sich nicht näherkommen. Außer es ist tatsächlich so unspektakulär brav. (Michael Wurmitzer, 1.7.2017)