Der Schriftsteller Franzobel bei seiner Klagenfurter (Anklage-)Rede zur Literatur.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Ein Teil der heurigen Autoren während der Eröffnung. V. li. n. re.: Eckhart Nickel, Maxi Obexer, Karin Peschka, Ferdinand Schmalz, Noemi Schneider, Jackie Thomae, Björn Treber und John Wray.

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Am Nebensofa saß der andere Teil der heurigen Autoren. V. li. n. re.: Jörg-Uwe Albig, Verena Dürr, Daniel Goetsch, urs Mannhart, Barbi Markovic und Gianna Molinari.

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Klagenfurt – Nachdem die Würdenträger des ORF, der Politik und der Sponsoren ihre das Buchhalterische weit überschreitende Beschlagenheit in der Sache der Literatur mit Zitaten daraus und Bekenntnissen dazu obligatorisch kundgetan hatten, ging es am Mittwochabend im Klagenfurter ORF-Theater ans Eingemachte der Eröffnung der 41. Tage der deutschsprachigen Literatur. Bisher großteils unveröffentlichte Texte des vor acht Jahren verstorbenen Kärntner Literaten und 1977 ersten Bachmannpreis-Gewinners Gert Jonke – u. a. über einen Luftminister sinnend und ausgegraben, experimentell vertont und vorgetragen von der Vokalistin Susanna Ridler und dem Jazzer Wolfgang Puschnig – rahmten den Ablauf.

Für die biografische Ewigkeit

Nicht marktkonforme, risikoreiche Texte hatte er sich voriges Jahr bei der Eröffnung gewünscht. Heuer freute sich Juryvorsitzender Hubert Winkels stattdessen – hoffentlich nicht in vorausgreifender Resignation – in seiner Rede über die "einfachen Dinge": den schönen Ort, den schönen See, die schönen Gespräche.

In seinem Lob der Kontinuität referierte er auch auf den Anekdotenreichtum rund um den Bachmannpreis – in jeder Biografie eines Teilnehmers tauche er später immer wieder auf wie sonst vielleicht nur der Büchner-Preis. Den lesenden Zugang zum Text begriff er abschließend als einen Prüfstein zum etwaigen Rausch beim bloßen Zuhören.

Bierflaschen am Lesepult

Für so einen Rausch war dann Franzobel zuständig. Der setzte denn auch mit Bierflaschen am Lesepult zu seiner Klagenfurter Rede zur Literatur "Das süße Glück der Hirngerichteten" an. Avatare, E-Books – den Untergang der Buchkultur malte er darin aus, nahm dazu den Umweg über die Zweitverwertung von Henrik Ibsens Badewanne als Futtertrog um den Schluss zu ziehen, niemand warte auf Literatur. Und doch werde es immer Sehnsucht nach Geschichten geben und sie könne und müsse aussprechen. Damit habe sie auch Verantwortung, sich für Unterdrückte einzusetzen und auf die Welt einzulassen.

Wir akzeptierten "menschliches Elend für ein paar Börsenbrösel", wir befänden uns in einem Zeitalter der "Deaufklärung", teilten nur in den sozialen Netzwerken und die "Scheiterhaufen der Zukunft" seien die "Delete-Tasten", rechnete der Bachmannpreis-Gewinner von 1995 binnen weniger Seiten und einiger starker Sprachbilder mit der Welt und deren "ungeheuerlicher Verlogenheit" ab. Für die "neue Aristokratie" hielten wir Konsumenten uns, und dabei stehe uns "die Jauche bis zum Hals". Literatur sei ein Kampf u. a. gegen Engstirnigkeit.

Zwei Österreicherblöcke

In zwei Vormittagsblöcken treten die österreichischen Teilnehmer bzw. Teinehmer mit Österreichbezug an den ersten beiden Lesetagen an. Karin Peschka hat am Donnerstag den allerersten Startplatz des Bewerbs (10 Uhr), ihr folgen Björn Treber (11 Uhr) und John Wray (12 Uhr). Am Freitagvormittag sind Ferdinand Schmalz (10 Uhr), Barbi Markovic (11 Uhr) und Verena Dürr (12 Uhr) en suite dran.

Daniel Goetsch und Noemi Schneider komplettieren ab 13.30 Uhr den Auftakt am Donnerstag, der Freitagnachmittag gehört Jackie Thomae und Jörg-Uwe Albig. Am Samstag (11-14 Uhr) lesen Eckhart Nickel, Gianna Molinari, Maxi Obexer, den Abschluss macht Urs Mannhart. (wurm, 5.7.2017)