Wien – AMS-Vorstand Johannes Kopf will den Lehrstellenmarkt für junge Flüchtlinge, die auf ihren Asylbescheid warten, weiter öffnen. "Ich bin für eine generelle Öffnung des Lehrstellenmarktes für alle Asylwerber unter 30 Jahren, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit haben", sagte Kopf dem "Kurier" vom Montag. Aktuell seien das vor allem Syrer.

Während junge Flüchtlinge auf ihren Asylbescheid warten, dürfen sie derzeit nur mit Sonderbewilligung und nur dort, wo ein Fachkräftemangel herrscht, eine Lehre beginnen. Momentan gebe es solche Bewilligungen lediglich für 415 Asylwerber unter 25 Jahren, die meisten davon in Oberösterreich (169), gefolgt von Tirol (62) und Salzburg (43). Diese Lehrstellen mussten sich die Jugendlichen aber selbst oder mithilfe von NGOs und Freiwilligen suchen, das AMS ist für sie bisher nicht zuständig.

Keine Konkurrenz zu Inländern

Würden Flüchtlinge in der ein-, zweijährigen Wartezeit eine Lehre beginnen, könnten sie neben der Ausbildung auch eine Lehrlingsentschädigung von ein paar hundert Euro statt 40 Euro Taschengeld erhalten, schreibt der "Kurier". "Bekommen diese Flüchtlinge dann im zweiten oder sogar schon dritten Lehrjahr Asyl gewährt, verdienen sie schon deutlich mehr, in manchen Lehrberufen auch schon 1.000 Euro. Und sie haben den Anreiz, die Ausbildung fertig zu machen, anstatt irgendeine Hilfstätigkeit anzunehmen", so Kopf.

Dass Österreichern dadurch Lehrstellen weggenommen werden, glaubt er nicht: "Wir haben aktuell 1.075 mehr freie Lehrstellen als vor einem Jahr und 133 weniger lehrstellensuchende Jugendliche." Von den Asylwerbern würden wegen des Bildungsniveaus und noch fehlender Sprachkenntnisse ohnehin nur "wenige hundert" für die Ausbildungsplätze infrage kommen.

Vorteile für Unternehmen

Wird der Lehrstellenmarkt für junge Flüchtlinge geöffnet und das AMS für die Vermittlung zuständig, hätte das auch Vorteile für die heimischen Unternehmen: Das AMS würde sie laut Kopf dann durch Förderungen, Sprachkurse und Coachings unterstützen und mit Jugendlichen zusammenbringen, denn: Während 60 Prozent aller Asylberechtigten in Wien leben, sind die meisten Lehrstellen im Westen Österreichs zu finden. Würde die Regierung eine entsprechende Regelung finden, könnten einige Asylwerber laut Kopf schon im Herbst mit einer Ausbildung beginnen.

Sobotka gegen Vorschlag

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) erteilt dem Vorschlag eine Absage: "Wir können in einer Zeit, in der Österreich massiv durch einen Flüchtlingsstrom belastet ist, nicht ernsthaft über eine Öffnung des Arbeitsmarktes, in welcher Form auch immer, reden", so Sobotka in einer Aussendung am Montag.

"Dieses Signal würde innerhalb kürzester Zeit via Soziale Netzwerke in die Herkunftsstaaten durchdringen und Menschen motivieren, sich auf den Weg nach Zentraleuropa zu machen." Zudem würde Jugendarbeitslosigkeit in Österreich nicht die passende Ausgangssituation bieten, "um sich über eine Öffnung des Lehrstellenmarktes für Asylwerber Gedanken zu machen". Viele würden auch die notwendigen Sprachkenntnisse nicht erfüllen.

Wirtschaftskammer dafür

Für Martin Gleitsmann, Abteilungsleiter Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich, hingegen wäre es eine Win-Win-Situation: "Das wäre nicht nur ein ganz essenzieller Schritt für rasche und effektive Integration, sondern daneben auch ein wichtiger Hebel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels für unsere Betriebe."

Ziel solle sein, aus jugendlichen Flüchtlingen Fachkräfte von morgen zu machen, sagte Gleitsmann in Reaktion auf den Vorschlag von Kopf, den die Sozialpartner schon vor rund einem Jahr der Regierung vorgelegt hätten. Der derzeitige beschränkte Zugang auf Berufe mit Fachkräftemangel sei unflexibel und bürokratisch. Die vorgeschlagene Maßnahme betreffe ohnehin nur jugendliche Asylwerber, die voraussichtlich einen positiven Asylbescheid und damit freien Arbeitsmarktzugang bekommen.

Unterstützung von Grünen und Neos

Positiv äußerten sich auch die Grünen und die Neos. "Ausbildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen und sozialen Integration", so Judith Schwentner, Sozialsprecherin der Grünen. Sie kritisiert, dass sich die ÖVP bei den Verhandlungen um das Ausbildungspflichtgesetz gegen eine Ausbildung junger Asylwerber gestellt habe. Der Zugang zu Lehre und Arbeitsmarkt für Asylwerber entlastet letztlich den Staat, so die Neos.

Caritas-Präsident Michael Landau begrüßt den Vorstoß ebenfalls: "Unternehmen und die Wirtschaft können hier wichtige Partner gelingender Integration sein." Er plädiert in diesem Zusammenhang auf eine Ausweitung der Ausbildungspflicht bis 18 Jahre auch auf Asylsuchende. "Geflüchtete 16-Jährige haben heute oft keine Chance, in eine Schule zu kommen", so Landau.

Bei der Jobintegration von Asylwerbern sollten aber auch weitere Barrieren aus dem Weg geräumt werden, sagte der oberösterreichische Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne). Asylwerber hätten als Lehrlinge beispielsweise keinen Zugang zu einem Lehrlingsticket für den Weg zur Lehrstelle und eine Freifahrt für den Weg zur Berufsschule. Er sei diese Woche mit Kollegen der oberösterreichischen Landesregierung bei den zuständigen Ministerien, "um Jobintegration als zentrale Säule der Integration zu erleichtern." (APA, 10.7.2017)