Thomas Wieser sucht nach acht Jahren Eurokrisenmanagement eine neue Aufgabe.

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Brüssel/Wien – An der Spitze der Eurogruppe aus 19 EU-Staaten zeichnen sich gleich zwei einschneidende Personalwechsel ab: Das informelle, umso mächtigere Gremium der Eurofinanzminister verliert die führenden Köpfe.

Nicht nur der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem wird als Chef der Eurofinanzminister bis Ende 2017 den Hut nehmen. Seine sozialdemokratische Partei wird nach der verheerenden Niederlage bei den Wahlen im März nicht mehr in der Regierung vertreten sein. Dijsselbloem verliert also sein Ministeramt – bisher Voraussetzung, um die Eurogruppe zu führen. Am Dienstag wurde in Brüssel bekannt, dass auch Thomas Wieser, der Chef der Euroarbeitsgruppe und gleichzeitig Leiter des Wirtschafts- und Finanzausschusses ist, aufhören wird. "Ich kann bestätigen, dass ich nach dem 31. Jänner 2018 nicht mehr in diesem Job sein werde", sagte er dem STANDARD. Da läuft sein Vertrag aus.

Auf zu neuen Ufern

Als Motiv nennt er, dass nach acht intensiven Krisenjahren "die Zeit kommt, wo die Déjà-vus sich mehren und man sich zu neuen Ufern aufmachen sollte". Es gebe bereits "ein Dutzend Vorschläge, was ich machen könnte". Manches wäre "langweilig, aber mit astronomischen Gehältern verbunden", anderes "interessant, aber mit weniger Gehalt".

Ihm wäre jedenfalls mehr Zeitautonomie wichtig. Nach einem Skiurlaub im Februar werde er etwas Neues beginnen, sagte Wieser, zuvor "die Bilder, die meine Frau gemalt hat, und das Mobiliar nach Wien übersiedeln".

Der Österreicher ist in seinen Funktionen das Mastermind im Rat und hinter der gemeinsamen Politik der Finanzminister. Er hat sich vor allem als kreativer Manager in der Eurokrise, insbesondere in Bezug zu Griechenland, einen hervorragenden Ruf erarbeitet, auf dem faktisch einflussreichsten Beamtenposten. Vorgänger im WFA waren etwa die späteren Zentralbankchefs Jean-Claude Trichet und Mario Draghi.

Vordenker

Wieser war 2011 von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, als der noch Premier in Luxemburg und Chef der Eurogruppe war, engagiert worden. Als Vordenker und Lösungsfinder der Ratsarbeitsgruppe hat er sämtliche Eurohilfsprogramme für Griechenland, Portugal, Irland und Zypern mitkonzipiert und Kompromisse erarbeitet, die von den Finanzministern beschlossen wurden. Das Nachrichtenportal Politico lobt ihn überschwänglich für sein Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, "sich in Gesprächspartner hineinzudenken".

Sein Rückzug könnte die Chance für einen anderen Österreicher, Finanzminister Hans Jörg Schelling, erhöhen, Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe zu beerben. Bei den Finanzministern gibt es zudem keine Einigung, den Posten mit einem permanenten (und bezahlten) Chef zu besetzen, womit Dijsselbloem keine Chance hat. Da große Staaten bei Haushalts- und Währungsstreitigkeiten Gewicht in die Waagschale werfen können, werden oft Kandidaten kleinerer Länder bevorzugt, die vermitteln können. Im Interview mit dem STANDARD hatte Schelling im vergangenen April Interesse angedeutet. (Thomas Mayer, 12.7.2017)