Viele Menschen haben das Gefühl, in besonders unsicheren Zeiten zu leben. Terroranschläge finden mitten in Europa statt, in Berlin, in London, in Stockholm. Alles Städte, die viele von uns schon besucht haben. Es ist daher nur naheliegend, dass die Politik versucht, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

So manches Gesetz ist tatsächlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit, die Möglichkeiten der Polizei wurden nicht an den technologischen Fortschritt angepasst. Es mutet etwas anachronistisch an, wenn es zwar Möglichkeiten und Regelungen für die Überwachung von Telefonaten und SMS gibt, nicht aber für Whatsapp oder Skype. Exekutivbeamte berichten von Tatverdächtigen, die bei abgehörten Gesprächen ganz offen davon sprechen, man müsse jetzt für den Austausch der wirklich wichtigen Informationen auf Whatsapp umsteigen, damit die Vertraulichkeit auch gesichert bleibt. Hier gibt es also zweifellos Handlungsbedarf.

So weit sind sich die allermeisten Experten und auch Politiker einig. Die Frage ist immer nur: In welcher Form werden solche Verschärfungen umgesetzt? Wie kann die Balance zwischen öffentlicher Sicherheit und berechtigtem Wunsch nach Privatsphäre gewahrt werden? Wie wird sichergestellt, dass Überwachungsmaßnahmen von der Polizei wirklich nur bei potenziell schweren Verbrechen eingesetzt werden?

Gepachtete Weisheit

Hier werfen die aktuellen Entwürfe viele Fragen auf. Wenn selbst die Rechtsanwaltskammer wörtlich von einem Schritt in Richtung "DDR-Bespitzelung" spricht, weil nicht nur Computer oder Handys von Verdächtigen, sondern auch von unbeteiligten Dritten überwacht werden könnten, sollte das ernst genommen werden.

Überwachung und Datenschutz sind grundrechtlich äußerst heikle Themen. Mehr als bedenklich war es deshalb, dass Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolfgang Brandstetter das Sicherheitspaket ursprünglich ohne öffentliche Begutachtung durchpeitschen wollten. So etwas kann nur jemand fordern, der gar nicht auf mögliche Verbesserungsvorschläge von externen Fachleuten hören will. Frei nach dem Motto: Die Weisheit haben wir gepachtet.

Dabei hat die Politik beim Überwachungsthema schon in der Vergangenheit gern übers Ziel hinausgeschossen. Erst am Mittwoch kippte der Europäische Gerichtshof das geplante Fluggastdatenabkommen der EU mit Kanada. Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung wurde vom Luxemburger Gericht bereits mehrfach kassiert, auch die österreichische Regelung. In modifizierter Form hat sie nun im aktuellen Sicherheitspaket wieder Niederschlag gefunden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die bisher geäußerten Bedenken können sicher ausgeräumt werden. Genau dafür ist die Begutachtung da. Es bedarf dafür aber einer unaufgeregten Diskussion.

Die heiße Wahlkampfphase, die schon jetzt von größter Nervosität bei allen Parteien gekennzeichnet ist, ist dafür nicht die richtige Zeit. Davon konnten sich die Wähler in der Vergangenheit bereits mehrfach überzeugen. Ab dem 16. Oktober diskutiert es sich wieder leichter. Ein paar Monate Verzögerung sind kein Drama. Und es könnte auch im Interesse der ÖVP sein, dieses sensible Thema gleich mit dem neuen Koalitionspartner zu finalisieren. (Günther Oswald, 27.7.2017)