Der durchschnittliche Österreicher hält sich nicht für oberflächlich. Am wichtigsten sei für die Wahlentscheidung das Programm der Parteien, gaben die Befragten in einer aktuellen STANDARD-Umfrage zu Protokoll. Wer will schon zugeben, dass er sein Kreuzerl auf dem Wahlzettel eigentlich aus dem Bauch heraus macht.

Dominiert wurde die erste Hälfte des Wahlkampfs aber bisher von zwei Personen, die noch weitgehend auf Inhalte verzichtet haben. Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz punktet mit seinem jugendlichen Image, das im absoluten Widerspruch zum biederen Erscheinungsbild seiner Partei steht. Er ist eloquent, souverän im Auftreten und reibt sich gerne an mächtigen Außenfeinden (Erdogan, Merkel, die EU im Allgemeinen). Und vor allem: Viele Menschen trauen ihm zu, etwas zu bewegen, eine Vision zu haben, auch wenn er im Grunde noch keinerlei Konzepte für wichtige Bereiche wie Sozialstaat, Wirtschaft oder Bildung vorgelegt hat. Die Wahl als Kopfkino sozusagen.

Der zweite dominierende Faktor in der bisherigen Wahlauseinandersetzung war Peter Pilz. Er hat erst gar nicht vor, ein Wahlprogramm auszuarbeiten. Das ist dem einstigen Grünen zu Old School. "Bei uns sind die Personen die Programme", gibt Pilz ganz offen zu und fährt bis jetzt auch nicht schlecht damit. In den Umfragen liegt er nur knapp hinter seiner Ex-Partei. Auch wenn er im Grunde nur das sagt, was er schon seit Jahren als Grünen-Abgeordneter vertreten hat, und auch seine bisher präsentierten Kandidaten und Kandidatinnen für klassisch grüne Themen stehen, nehmen es ihm offenbar viele Bürger ab, etwas bewegen zu wollen. Hauptsache neu eben.

Relativ neu wäre eigentlich auch noch Christian Kern als SPÖ-Chef und Bundeskanzler. Er ist gerade einmal etwas mehr als ein Jahr im Amt, und trotzdem scheint die Euphorie bereits zu schwinden. Kern hat zwar ein umfassendes Programm, den Plan A, vorgelegt, ist mit seiner Truppe aber außer Tritt geraten, geht beim Sicherheitsthema neben Kurz und Strache unter und agiert beim Sozialthema zurückhaltend. Wohl auch deshalb, weil der Ex-Manager eigentlich einen ganz anderen Kurs fahren wollen würde als seine von der Gewerkschaft dominierte Partei. Kommt nicht bald Schwung in die rote Kampagne, wird Kern am 16. Oktober angesichts der ebenfalls schwächelnden FPÖ nicht einmal mit Rot-Blau drohen können. Denn zur Halbzeit des Wahlkampfs hätte diese Koalition keine Mehrheit. (Günther Oswald, 1.8.2017)