Eine wichtige Frage, die gestellt werden muss, ist: Welches Wissen, welche Ressourcen, welche Kompetenzen braucht eine Person, um für die Zukunft gewappnet zu sein?

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Bildungseinrichtungen müssen auf die Herausforderungen der Gesellschaft reagieren. Digitalisierung, so zuletzt Philipp Blom in Was auf dem Spiel steht, wird unsere Gesellschaft verändern – und zwar in naher Zukunft. Es geht um das Wie der Maßnahmen, wenn gesellschaftlich relevante Fragen Bildungseinrichtungen erreichen: Sowohl Angst als auch Euphorie wären schlechte Begleiter etwa einer flächendeckenden Ausrüstung aller Schüler mit Notebooks oder Tablets, zumal das Vorhaben wohl früher als später an budgetäre Grenzen stößt.

Schulen so auszustatten, dass alle Schüler – besonders jene aus bildungsfernen und/oder armutsgefährdeten Familien – je nach Bedarf unkomplizierten Zugang zu Notebooks und Tablets und zur Nutzung des Internets bekommen, bietet Heranwachsenden Gelegenheit, die technischen Einrichtungen bewusst als Werkzeug wahrnehmen. Begleitet von e-didaktisch ausgebildeten Lehrpersonen und besonders geschulten Peers erfahren sie Nutzungsmöglichkeiten im schulischen und privaten Kontext und lernen, sich und andere vor Missbrauch zu schützen. Dies zu begleiten birgt Herausforderungen für eine Schule als Organisation.

Wichtig ist, dass Heranwachsende sich in der digitalen Welt bewegen, deren Gestaltungsräume und Grenzen kennen. Die digitale Welt müssen sie wieder verlassen und selbstbestimmt, selbst- und sozialverantwortlich tragfähige Beziehungen gestalten können. Ziel ist die aktive Teilnahme am Gesellschafts- und Wirtschaftsleben, niemand ist zum passiven Konsumieren verdammt. Es ist ein herausfordernder Lernprozess, Technik dort einzusetzen und zu nutzen, wo es sinnvoll und sozialverträglich ist. Sich der technischen Verführbarkeit zu widersetzen kann von Kindern und Jugendlichen (und auch Erwachsene) nicht vorausgesetzt werden.

Spätestens jetzt rückt die Frage der Qualität des Lernens in das Zentrum der Betrachtung. Über lernförderliche Aspekte und die daraus resultierenden Maßnahmen im Kontext von Unterrichts- und Schulentwicklung gibt es viele Studien, die im Kern Ähnliches aussagen: Es hat sich gezeigt, dass die von Lehrpersonen professionell gestalteten, auf Regeln und Vereinbarungen beruhenden, Verbindlichkeit und Orientierung gebenden Lern- und Lehrbeziehungen relevant sind. Darüber hinaus brauchen Schüler Freunde in ihrer Klasse, eine anregende Lernumgebung, gut organisierten, spannenden, individuell herausfordernden Unterricht und eine Schule, der sich alle zugehörig fühlen. Mit dem Satz "Wer Bildung will, muss Beziehung schaffen" hat es der Existenzanalytiker Günter Funke auf den Punkt gebracht. Es ist kein Zufall, dass die Verantwortlichen des Bildungsministeriums für die verpflichtenden Qualitätsprogramme SQA (Schulqualität Allgemeinbildung) und QIBB (Qualität in der Berufsbildung) die Qualität des Lernens in den Mittelpunkt gestellt haben.

Um den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein, müssen Lernende in der digitalen und analogen Welt fachliche und überfachliche Kompetenzen erwerben, sie müssen Wissen erwerben und sich der Sinnhaftigkeit des Wissens bewusst sein, dieses Wissen anwenden und gemeinsam mit anderen ihr Handeln / ihre Leistungen reflektieren.

In Österreich sind überfachliche Kompetenzen ein gesetzlich verankertes, explizites Ziel von Schule. Im nationalen Bildungsbericht 2012 schreiben Ferdinand Eder und Franz Hofmann: "Die überfachlichen Kompetenzen betreffen Bildungsziele, die über die Kernkompetenzen, die in einzelnen Unterrichtsfächern vermittelt werden sollen, hinausgehen, und die in der österreichischen Schule von besonderer Bedeutung sind. Denn das Schulorganisationsgesetz, § 2, regelt den gesetzlichen Bildungsauftrag der Schule gerade auf Basis allgemeiner Ziele und überfachlicher Kompetenzen."

Alle Lehrpläne verweisen in den didaktischen Prinzipien auf Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Sie zielen darauf ab, dass überfachliche Kompetenzen für die persönliche Entwicklung von Schülern, für ihre künftige Lebensführung und ihre aktive Beteiligung am Gemeinwesen wichtig sind. Sie bereiten auf den Umgang mit anderen in der Gesellschaft, ein Verhalten im Einklang mit der Natur und auf das Arbeitsleben vor. Personenbezogene überfachliche Kompetenzen (Selbst- und Sozialkompetenz) entsprechen dem Potenzial eines Menschen, in wechselnden, oft unvorhersehbaren Situationen sowie in unterschiedlichen Rollen angemessen und verantwortungsbewusst zu handeln.

Persönlichkeitsbildung

Schulen können im Rahmen von SQA und QIBB jährlich einen Entwicklungsschwerpunkt setzen. Folgende Fragen könnten gestellt werden: Was ist nötig, damit Kinder und Jugendliche ein selbstbestimmtes Leben führen? Welches Wissen, welche Ressourcen, welche Kompetenzen braucht eine Person, um für die Zukunft gewappnet zu sein? Inwiefern trägt das angeeignete Wissen und Können zu einer menschenwürdigen Welt bei? Wie kann eine Schule – im Spannungsfeld von Autonomie und Steuerung – organisiert werden, die ein Lern- und Erlebnisraum für Persönlichkeitsbildung ist? (Brigitte Schröder, 3.8.2017)