Auf dem Wiener Rudolfsplatz gibt es schon Kameras, durch Gesetzesinitiativen könnten es mehr werden.

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Anfang des Jahres hagelte es Kritik an den neuen Überwachungsplänen im Arbeitsprogramm der Regierung. Verfassungsgerichtshofspräsident Gerhart Holzinger warnte vor einer weiteren Ausweitung von Überwachung. Rupert Wolff, der Präsident der Anwaltskammer, sah im Paket "einen Schritt weiter in Richtung Überwachungsstaat". Die Opposition ist sich in ihrer Ablehnung einig. Über 7000 Menschen haben sich über www.überwachungspaket.at im Rahmen der parlamentarischen Begutachtung geäußert.

Daraufhin lenkte die SPÖ scheinbar ein. Für Justizsprecher Hannes Jarolim war eine Zustimmung seiner Partei "absolut nicht vorstellbar". Klubobmann Andreas Schieder entschärfte und konkretisierte am selben Tag: Die "SPÖ wird keinem Bundestrojaner zustimmen". Bundeskanzler Christian Kern versuchte die Debatte zu beenden. Man solle das "Sicherheitspaket nicht zum Wahlkampfthema machen". Dabei vermied er, sich inhaltlich zu positionieren.

Diese Dramaturgie erinnert schmerzlich an die Entstehung des Staatsschutzgesetzes. Im Oktober 2015 meinte Jarolim, es sei "unverantwortlich, das vorliegende Gesetz zu beschließen". Am Tag der Terroranschläge von Paris im November 2015 forderte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka eine schnelle Beschlussfassung. Schieder nannte dieses Vorgehen "unsauber" und sprach in Bezug auf das Staatsschutzgesetz von einem "schlechten Gesetz".

Ende November 2015 gaben die Klubobleute von SPÖ und ÖVP eine kurzfristig anberaumte Pressekonferenz. Ohne einen konkreten Gesetzestext vorzulegen, beteuerten sie, dass alle Probleme gelöst seien. Erst in den Folgetagen stellte sich heraus, dass die meisten Kritikpunkte nicht berücksichtigt worden waren. In der zentralen Strafbestimmung wurde etwa nur das Wort "weltanschaulich" durch "ideologisch" ersetzt. Für Werner Zinkl, den Präsidenten der Richtervereinigung, war das eine "Mogelpackung", für die Anwaltskammer "Augenauswischerei".

Das Gesetz erlaubt dem neuen Inlandsgeheimdienst nach wie vor, ganze Gruppierungen ohne konkreten Verdacht oder richterliche Genehmigung zu überwachen. Die gewonnenen Daten können unverändert bis zu fünf Jahre lang gespeichert und munter mit anderen Geheimdiensten ausgetauscht werden. Derzeit prüft der Verfassungsgerichtshof das im Jänner 2016 beschlossene Gesetz. FPÖ und Grüne haben die Beschwerde eingebracht.

Obwohl das Staatsschutzgesetz als Lösung für die Probleme bei der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität präsentiert wurde, stehen wir vor einer weiteren drastischen Verschärfung der Überwachungsgesetze, ohne dass sich etwas an der Bedrohungslage geändert hätte.

Aktuell wird halbherzig über den Bundestrojaner gestritten. Die anderen, nicht minder problematischen Inhalte werden kaum thematisiert. Geplant sind etwa die flächendeckende Erfassung aller Autokennzeichen samt Bildern der Lenker, die Ausweitung von Videoüberwachung mit einer zweiwöchigen Vorratsdatenspeicherung per Bescheid, eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ohne Informationspflicht für fälschlicherweise Überwachte, eine drastische Senkung der Strafhöhe von zehn Jahren auf sechs Monate für das Abhören privater Gespräche in Pkws, die Legalisierung von Netzsperren im Widerspruch zu den Netzneutralitätsregeln der EU, die Abschaffung anonymer SIM-Karten oder die Legalisierung von Telefonüberwachung mit IMSI-Catchern.

Für keine dieser Maßnahmen gibt es einen auch nur anekdotischen Beleg, wie sie uns sicherer machen sollen. Sicher ist nur, dass Überwachung unsere Freiheit einschränkt. Trotzdem könnte all das noch vor der Nationalratswahl beschlossen werden. Bis zum 21. August ist noch Zeit, sich im Begutachtungsverfahren zu äußern. Kanzler Kern meinte vor kurzem, er wolle die Ergebnisse der Begutachtung berücksichtigen. Wir werden ihn daran erinnern! (Thomas Lohninger, 10.8.2017)