Arbeiten an Autobahnen bringen Jobs, aber nur temporär.

APA/Herbert Pfarrhofer
Grafik: DER STANDARD

Wien – Die positive Beschäftigungswirkung von Infrastrukturbauten wie Autobahnen, Schnellstraßen oder Bahn ist unbestritten – allerdings nicht in der Form, wie sie von Politikern vielfach beschworen wird. Sie bestehen nämlich nicht primär in der Bauphase, wo Erdreich, Schotter, Beton und Asphalt bewegt werden. Echtes Jobwachstum generiert eine Volkswirtschaft erst danach in der Betriebsphase.

Zu diesem Schluss kommen Wirtschaftsforscher des Wifo, die im Auftrag des Autobahnbauers Asfinag in großem Stil Mikrodaten von Schnellstraßenprojekten im Zeitraum 2002 bis 2011 mit älteren hochrangigen Straßen verglichen haben.

Im Gegensatz zur Bauphase, die insbesondere in der Bauindustrie kurzfristig direkte und indirekte Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte induziert, wirken die Effekte in der Betriebsphase des hochrangigen Straßennetzes langfristig und dynamisch. Ihr Nettoeffekt ist nur empirisch nachzuweisen. Daher haben die Wifo-Ökonomen Philipp Piribauer, Peter Huber und Michael Weingärtler kleinräumige Rasterzellen analysiert, die sich im Umkreis von acht Kilometern von einer zwischen 2001 und 2011 gebauten Autobahn oder Schnellstraße befinden und diese mit Rasterzellen verglichen, die im Umkreis von acht Kilometern einer bereits vor 1990 gebauten Autobahn liegen.

Angesiedelte Unternehmen

Das Ergebnis: Entlang der neueren hochrangigen Straßen entstanden 22.000 bis 24.000 zusätzliche Arbeitsplätze. An zahlreichen Autobahnanschlussstellen siedelten sich Unternehmen an, es entstanden Gewerbeparks, Einkaufszentren, Lager- und Logistikhallen. Die gute Verkehrsanbindung wiederum zog Bevölkerungszuzug nach sich. Insgesamt trug der Neubau hochrangiger Straßen in den 2000er-Jahren mehr als zehn Prozent zum gesamten Beschäftigungswachstum dieser Regionen bei, heißt es in der Studie. Hochgerechnet auf ganz Österreich entstanden rund 3,8 Prozent bis 4,3 Prozent aller zwischen 2001 bis 2011 neu geschaffenen Arbeitsplätze durch den Betrieb der neuen Schnellverbindungen.

Entsprechend positiv fällt die Prognose für zum Teil heftig umstrittene Neubauprojekte aus, die sich die Asfinag errechnen ließ: Die S1 von Schwechat nach Süßenbrunn samt Spange Seestadt (ebenfalls S1) und dem Westabschnitt der Marchfeld Schnellstraße (S8; Gänserndorf-Obersiebenbrunn) lassen in einem Umkreis von acht Kilometern binnen einer Dekade einen Zuwachs von 6.200 bis 7.000 Beschäftigten erwarten. Allein im Nahbereich der S1 werden bis zu 3.000 neue Jobs erhofft.

Sofern diese jemals fertig wird. Denn der zentrale Abschnitt der Nordost-Umfahrung Wiens, des sogenannten Regionenrings, ist höchst umstritten: der Lobautunnel, den die Asfinag um geschätzte Kosten von 1,9 Milliarden Euro bauen soll. Die Entscheidung steht noch aus, die Grünen zögern. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wird bei Gericht bekämpft, der Bau beginnt nicht vor 2019.

Nadelöhre geschlossen

Was die Wifo-Studie auch zeigt: Das attestierte Jobwachstum dürfte nicht ausschließlich auf die Autobahnanbindung zurückzuführen sein. Denn die Beschäftigung zog von 2001 bis 2011 in jenen Rasterzellen besonders an, in denen die Beschäftigungsdichte bereits 2001 hoch war. "Diese Ergebnisse deuten auch auf eine wichtige Rolle von allgemeinen Agglomerationsvorteilen im regionalen Beschäftigungswachstum hin", sagt Studienautor Piribauer. Systemische Hinweise auf Abzugseffekte – etwa dass Betriebe aus verkehrsmäßig schlechter angebundenen Regionen an die neuen Autobahnen ziehen – habe man nicht gefunden, sagt Piribauer, der einräumt, dass die Autobahnprojekte der 2000er-Jahre wohl auch deshalb starke Wirkung entfalten konnten, weil es sich teilweise um Lückenschlüsse handelte. Es wurden Nadelöhre geschlossen, für die jahrelang das Geld gefehlt hatte.

Was die Branchen betrifft, fällt auf, dass die neuen Jobs überwiegend im Dienstleistungssektor entstanden. "Bei der Industrie sehen wir keine signifikanten Zuwächse", sagt Piribauer.

Ein Garant für Prosperität ist Autobahnbau übrigens nicht. "Im Extremfall kann es ein Nullsummenspiel werden", sagt Piribauer. Denn wohl gibt es Neuansiedlungen, die Nachfrage erhöht sich, Transportkosten verringern sich, und der Aktionsradius der Betriebe erhöht sich, was deren Expansion erleichtert. Aber: Die Unternehmen können leichter abwandern, etwa an einen kostengünstigeren Standort.

Zu hinterfragen ist Beschäftigungswirkung übrigens insofern, als die Wechselwirkung zeitgleich durchgeführter Baumaßnahmen, etwa der Bahn, nicht untersucht wurde, sie floss daher in die Wifo-Berechnungen auch nicht ein. (Luise Ungerboeck, 14.8.2017)