Eine differenzierende gemeinsame Schule ermöglicht es Schülern, den eigenen besten Weg zu finden.

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Es häufen sich im STANDARD die Kommentare von AHS-Lehrerinnen, die sich Gedanken über das Schulsystem machen, das sie mitbetreuen. "Ein Wettrennen namens Bildung", der Kommentar der anderen von Monika Neuhofer – einer engagierten AHS-Professorin, wie man erkennen kann – macht mich als Magister mit ähnlicher Schullaufbahn nachdenklich. Ich habe meinen Titel als Mutter von vier Kindern, alle heute zwischen 30 und 40 Jahre alt, nicht mehr weiter verwendet, sondern mich ehrenamtlich als Elternvereinsobfrau in der Schule meiner Kinder und für Österreich engagiert. Mir ist da vieles bewusst geworden, weil ich die Situation nicht mehr nur aus der Sicht meiner eigenen Kinder beobachten konnte und musste. Daher ist für mich die Entwicklung zur "gemeinsamen Schule" – warum bleiben AHS-Lehrer immer bei dem eher abwertenden Begriff "Gesamtschule"? – ein wichtiger Beitrag zur solidarischen Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen geworden.

Während dieser jahrelangen Tätigkeit musste ich bei manchen meiner eigenen Kinder und bei vielen Schülern mit Bestürzung feststellen, dass sie in gewissen Altersstufen mit den Möglichkeiten und Gefahren der höheren Schule nicht zurechtkommen – zum Leidwesen aller, der Kinder selber, der Eltern und der Lehrer. Für manch einen bedeutete dies einen "Knacks" in der Persönlichkeitsentwicklung. Bei all den Forderungen, die heutzutage an die Eltern gestellt werden, ist das traurig und gefährlich. Wie soll man das Kind in so einer schwierigen Situation auffangen, wenn man selber immer stärker unter Druck steht? Daher ist der Kommentar der anderen von Brigitte Schröder ("Schüler, Persönlichkeiten und gelingende Leben") so wichtig, der auf die Bedeutung von Selbst- und Sozialkompetenz hinweist, die die Schüler entwickeln müssen, um zum Beispiel mit den Neuen Medien und der Digitalisierung gut umgehen zu können. Schüler können im Rahmen der angebotenen Programme SQA (Schulqualität Allgemeinbildung) und QIBB (Qualität in der Berufsbildung) selber Entwicklungsschwerpunkte setzen.

Gleiche Chancen?

Ich selbst, als Absolventin der verschiedenen Bildungsangebote, die mir das gegenwärtige System ermöglichte, hatte die Chance, mich solidarisch und selbstbewusst zu entwickeln. Aber gilt das auch für die jungen Menschen von heute? Ich kann meine Erfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten nicht so einfach über die Nachkommenden drüberstülpen und glauben, sie hätten die gleichen Chancen, wenn sie nur wollten. Dazu braucht es viel Orientierung, Mut, Ausdauer und Kraft. Verwöhnte junge Menschen schaffen das schwerer als Menschen, die aus prekäreren Verhältnissen kommen. Für mich ist der Verlust an jungen Menschen, die aus Gewohnheit den falschen Weg eingeschlagen haben, nicht tragbar, und er erfüllt mich mit Trauer. Das können wir uns nicht leisten.

Eine differenzierende gemeinsame Schule würde es allen ermöglichen, den eigenen besten Weg zu finden, ausreichend finanzielle Ressourcen vom Staat sind natürlich das A und O. Diese Wege werden dann sehr unterschiedlich sein.

Offen für die Zukunft

Bei meinen eigenen und bei anderen Kindern kann ich mitverfolgen, wie unterschiedlich der Zugang zur Bildung ist. AHS-Schüler wissen zum Beispiel nicht, was sie interessiert und was sie mit dieser guten, weitläufigen, fordernden Bildung einmal machen wollen oder können. Die Zahl der arbeitslosen Akademiker ist auch im Steigen begriffen. Mittelschüler an einer gemeinsamen Schule sehen hingegen auch die spätere Möglichkeit von Lehre mit Matura. Nichts ist zu früh festgelegt, aber alles bleibt offen für die Zukunft. Die Persönlichkeiten sind gestärkt, man unterstützt sich gegenseitig – Teamwork –, die Freude am Leben und Lernen bleibt erhalten. Glücklicherweise ist das auch bei AHS-Schülern gegeben, aber leider nicht bei allen frustrierten späteren Aussteigern.

Allen Lehrern sei ein großer Dank gesagt, dass sie sich für die Zukunft der jungen Menschen bemühen. Das Wichtigste ist das Miteinander von Lehrern, Eltern, Schülern und nicht gegenseitiges Bloßstellen. Wir möchten doch alle, dass es unsere Kinder einmal gut haben werden im späteren Leben. Auch das ist im Interesse der Eltern und Lehrer. (Christiane Url, 17.8.2017)