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Automatisierung bringe eine Reduktion der klassischen Lohnarbeit, lautet vielfach die Warnung.

Foto: REUTERS/Haruyoshi Yamaguchi
Grafik: STANDARD

Wien – Nur zwei Mitarbeiter im Kontrollraum und 15.000 Sensoren sollen ab September das neue Drahtwalzwerk der Voestalpine in Donawitz betreiben. Jüngste Fortschritte bei der Automatisierung unter dem Sammelbegriff Industrie 4.0 reihen sich nahtlos an vergangene Innovationen. Maschinen haben weit mehr Arbeitskräfte ersetzt als durch Outsourcing in Schwellenländer abwanderten.

Angst vor Jobverlust

SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern schlägt daher Alarm: In den nächsten zehn Jahren würden Automatisierung und Digitalisierung eine massive Reduktion klassischer Lohnarbeit mit sich bringen. Die Entwicklung zeichne sich länger ab, wie Sozialdemokraten häufig betonen. Bereits seit den 1970er-Jahren sinkt der Anteil der Löhne am Volkseinkommen. Um den Sozialstaat langfristig zu finanzieren, müssten Besitzer von Maschinen mehr beitragen, so das Argument. Folglich machte die SPÖ eine Wertschöpfungsabgabe, auch Maschinensteuer genannt, zur Koalitionsbedingung.

Konkret sollen in einem ersten Schritt alle Unternehmen drei Prozent ihrer Nettowertschöpfung einzahlen, um die Familienförderung (Flaf) zu finanzieren. Das soll 1,5 Milliarden Euro einbringen. Im gleichen Ausmaß würden die Abgaben auf Löhne gesenkt, die derzeit den Familienfonds speisen. Die Idee ist, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Erstens wird der Faktor Arbeit entlastet, was die Beschäftigung antreibt. Zweitens werden zusätzliche Einnahmequellen für Sozialausgaben angezapft. Aber bedroht der technische Fortschritt tatsächlich den Sozialstaat? Und erfüllt eine Wertschöpfungsabgabe ihren Zweck, menschliche Arbeitskraft im Vergleich zu Robotern attraktiver zu machen?

Beschäftigung auf Rekordhöhe

Tatsächlich ist der Anteil am Volkseinkommen durch Arbeitseinkommen, die Lohnquote, in den vergangenen vierzig Jahren von über 75 auf knapp unter 70 Prozent gefallen. Die öffentlichen Einnahmen aus Löhnen wurden aber nicht weniger. Im Gegenteil stiegen die Sozialbeiträge sowie die Lohnsteuereinnahmen seit 1995 stärker als die Inflation. Schließlich ist auch die Beschäftigung aktuell auf Rekordhöhe.

Auch in Zukunft soll die Digitalisierung bestehende Berufe nicht obsolet machen, sondern die Arbeit auf Nichtroutinetätigkeiten verlagern, wie eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) schätzt. Dabei würden allerdings manuelle Tätigkeiten weiter unter Druck geraten. Die schlechtbezahlten Jobs verschwinden nicht, wandern aber in den Dienstleistungsbereich.

Weniger Investitionen

Eine Wertschöpfungsabgabe kann diesem Prozess zwar entgegenwirken, aber mit negativen Folgen für die Gesamtwirtschaft, fürchten Kritiker. Die Steuer verteuert Kredite, die Unternehmen für Investitionen aufnehmen. Innovationen und Produktivitätsfortschritte werden so gehemmt.

Eine Simulation des Forschungsinstituts Eco Austria zeigt, dass eine Wertschöpfungsabgabe, mit der die Arbeitskostenbelastung um eine Milliarde Euro gesenkt würde, letztlich die Wirtschaftsleistung um einen Viertelprozentpunkt reduziert. Auch langfristig sei kein positiver Effekt auf die Beschäftigung feststellbar.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hatte zuletzt betont, dass Abschreibungen von der neuen Steuer ausgenommen wären, um Investitionen nicht zu hemmen. Das spiele aber kaum eine Rolle, erklärt Eco-Austria-Direktor Tobias Thomas: "Vergleicht man Modelle mit und ohne Besteuerung der Abschreibungen bei gleichem Aufkommen, dürften die negativen Auswirkungen auf die Investitionen ähnlich ausfallen."

Keine Steuer auf Maschinen

Der Begriff Maschinensteuer sei irreführend, erklärt Monika Köppl-Turyna vom Wirtschaftsinstitut Agenda Austria. Sie trifft nämlich nicht die großen Industrieunternehmen mit Montagehallen voller Roboter, sondern eher Klein- und Mittelbetriebe. Letztere haben nämlich oft geringere Personalkosten, dafür einen höheren Anteil an Fremdmitteln.

Am meisten belastet eine Wertschöpfungsabgabe den Dienstleistungssektor. Profitable Freiberufler, wie Architekten oder Anwälte, hätten etwa die doppelte Mehrbelastung, wie aus einer Studie der Agenda Austria hervorgeht. "Ehrlicher wäre es, eine höhere Gewinnsteuer zu fordern" meint Köppl-Turyna. Aber das Sozialsystem habe ohnehin kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Die Ökonomin bevorzugt daher Einsparungen in der Verwaltung und eine Pensionsreform.

Die Maschinensteuer-Debatte hat die Voest nicht abgeschreckt, weiter in Donawitz zu investieren. Die betroffenen Mitarbeiter hat man ohnehin alle am Standort untergebracht.(Leopold Stefan, 23.8.2017)