Terrorübung der Cobra in Wien

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Auf der einen Seite überall ausufernde Vorfeldkontrollen, Pilotversuche zur Gesichtserkennung, Minister, die sich dauernd verhaspeln, wenn sie von technischen Lösungen sprechen, die sie nicht verstehen, und eine Sicherheitsindustrie, die sich feixend die Hände reibt über volle Auftragsbücher.

Auf der anderen Seite dauerhafter Ausnahmezustand im Heimatland der modernen republikanischen Idee, Schulterzucken im Angesicht achtlos erschossener Tatverdächtiger, vorauseilende Evakuierungen von Großveranstaltungen wegen diffuser Hinweise, Verhaftung von Handwerkern, die aus beruflichen Gründen Gasflaschen im Auto mitführen, und alle naselang sogar am Flughafen Wien-Schwechat Sperrung von Abflugs- und Ankunftszonen wegen freistehender Gepäckstücke.

Hysterie und Paranoia wird deutlich

Halten wir kurz inne, und die ebenso lächerliche wie gefährliche Absurdität dieses gesamteuropäischen Szenarios überhitzter Hysterie und Paranoia wird deutlich. Nichts kann irgendwen davon abhalten, irgendwo im öffentlichen Raum eine selbstgebastelte Bombe zu platzieren, ein Messer zu zücken oder die Hauptwaffe der modernen Zivilisation, das Auto, gegen andere einzusetzen. Radikalisierte, Marginalisierte, Frustrierte, psychisch Gefährdete jeglicher Couleur können die Chance allgemeiner Terrorhysterie nutzen, können sich kurz ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit spielen, ihr Bild auf den Titelseiten und im Fernsehen sehen. Dieses Gefühl, einmal von anderen gesehen, bewundert, gefürchtet und wahrgenommen zu werden, kann für all die Unsichtbaren ein starkes Motiv sein.

Und der Weg dorthin ist leicht. Probieren Sie es aus. Zwei große Flaschen Mineralwasser in den Rucksack stecken und diesen an einem belebten öffentlichen Ort vom Typ Shopping City oder U-Bahnhof einfach abstellen oder mit einem Tranchiermesser in der Jacke in den Bus steigen oder mit dem Auto vom Ring an der Oper in Richtung Fußgängerzone in der Kärntner Straße abbiegen – dort dann gerade- aus weiterzufahren und Gas zu geben, das kann jeder, das ist einfach, braucht keine Vorbereitung und nichts davon ist zu verhindern.

Massen von Gefährdern?

Warum aber, wenn wir angeblich umzingelt sind von Horden radikalisierter Muslime, geschieht das nicht jeden Tag? Wo sind sie denn die Massen der Gefährder, vor denen uns Politiker, denen sonst nichts einfällt, schützen wollen?

Wir sollten aus diesem Spiel aussteigen, sollten weder den düsteren Szenarien auf den Leim gehen, mit denen uns die Politik über die Medien Angst einjagt, noch ihren lächerlich wirkungslosen Vorschlägen zustimmen, die mühsam erkämpfte Freiheiten auf dem Altar kontroll- und technikgetriebener Omnipotenz Fantasien opfern und sinnlos viel Geld kosten.

Hysterie ist kein guter Ratgeber für Politik, sie lenkt von den eigentlichen Problemen ab und kaschiert die Ratlosigkeit der Eliten. Der politische Islam ist eine Herausforderung für Europa, wir bewegen uns in Richtung postsäkularer Gesellschaften, in denen Religion nicht mehr nur Privatsache ist, wir stehen vor ökonomischen, demografischen und ökologischen Problemen zuhauf.

Hoffnung auf den Hausverstand

Probleme, die mit langem Atem, durchdachten Strategien, politischem Mut und gemeinsam, europäisch, angegangen werden müssen. Wer da zündelt und die einen gegen die anderen aufhetzt, Angst, Neid und falschen Stolz schürt, wie es derzeit im beginnenden Wahlkampf gang und gäbe ist, handelt unverantwortlich. Bleibt im Angesicht dieses Trauerspiels nur die Hoffnung auf den Hausverstand oder, vornehm ausgedrückt, die Vernunft des Souveräns. (Reinhard Kreissl, 27.8.2017)