Gerhart Holzinger, einst Wunschkandidat der SPÖ, geht heuer als Präsident des Verfassungsgerichtshofs in Pension. Seine Nachbesetzung wird aller Voraussicht nach der neuen Regierung zufallen.

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Wien – Bundeskanzler Christian Kern wird in den nächsten Tagen Post vom Verfassungsgerichtshofpräsidenten bekommen. Gerhart Holzinger wird ihm darin ganz offiziell mitteilen, dass sein Posten ab 1. Jänner vakant ist. Holzinger, der seit 2008 Präsident am Höchstgericht ist, wurde im Juni 70 und wird mit 31. Dezember in Pension gehen. Die Regierung muss also einen neuen VfGH-Präsidenten bestellen. Stellt sich die Frage: welche Regierung? Noch die alte oder bereits die neue, der dann möglicherweise ein anderer Kanzler vorsteht?

Sobald das Schreiben im Kanzleramt eingelangt ist, muss Kern laut Gesetz "unverzüglich" den Posten zur allgemeinen Bewerbung ausschreiben. Theoretisch könnte noch die bisherige Regierung einen Nachfolger Holzingers bestellen. Was aber wenig realistisch ist: Abgesehen von einer unwahrscheinlichen Einigung zwischen Kern und ÖVP-Chef Sebastian Kurz müsste auch der Bundespräsident diese Personalentscheidung gegenzeichnen. Alexander Van der Bellen hat aber bereits durchblicken lassen, vor der Wahl keine Ernennungsurkunden mehr zu unterschreiben. Also wäre mit der Bestellung die nächste Regierung am Zug, die dann aller Voraussicht nach keine rot-schwarze mehr sein wird.

Zudem werden heuer zwei weitere Posten am Verfassungsgericht frei: Rudolf Müller und Eleonore Berchtold-Ostermann haben ebenfalls das 70. Lebensjahr und damit die Altersgrenze für Höchstrichter erreicht. Während die Bestellung des VfGH-Präsidenten der Bundesregierung obliegt, kommen bei der Nachfolge von Müller und Berchtold-Ostermann der Nationalrat und der Bundesrat ins Spiel.

FPÖ will mitentscheiden

Dem Nationalrat steht die Bestellung der Nachfolge Müllers zu, dem Bundesrat jene von Berchtold-Ostermann. Das Farbenspiel von Rot und Schwarz am Höchstgericht könnte also ordentlich durcheinandergebracht werden. Diesmal will nämlich auch die FPÖ mitentscheiden. Der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan hat bereits Anspruch auf zwei Richterposten am Höchstgericht angemeldet, das würde die politische Realität im Land abbilden. Da eine blaue Regierungsbeteiligung nicht ganz unwahrscheinlich ist, dürften die Freiheitlichen tatsächlich etwas mitzureden haben. Das war erst einmal der Fall: Schwarz-Blau unter Kanzler Wolfgang Schüssel berief 2003 auf Wunsch der FPÖ Herbert Haller als Richter an den VfGH.

Präsident Holzinger, als Mitglied des Cartellverbands den Schwarzen zuzurechnen, war bei seiner Bestellung 2008 Wunschkandidat der SPÖ – ein "Nullgruppler", wie manche sagen. Als bedingungsloser Verfechter der Grundrechte findet sich Holzinger wohl eher bei den Positionen von SPÖ und Grünen wieder.

Müller kam ebenfalls auf einem SPÖ-Ticket in den VfGH, Berchtold-Ostermann hingegen war die Kandidatin der ÖVP. Eine neue Regierungskoalition könnte diese Mechanismen aufbrechen.

Nachfolgekandidaten werden bereits gehandelt, ihre Chancen hängen stark vom Ausgang der Nationalratswahl ab. Als roter Kandidat für den VfGH-Vorsitz wird Michael Holoubek gehandelt. Der Verfassungsrichter ist allerdings erst 54 Jahre alt, seine Bestellung wäre damit für 16 Jahre gültig – für die Regierung ist eine solch lange Amtszeit immer auch ein Risiko. Chancen auf ein SPÖ-Ticket werden auch den beiden Höchstrichterinnen Claudia Kahr und Ingrid Siess-Scherz eingeräumt. Eine SPÖ-Kandidatin von außen wäre Maria Berger, ehemals Justizministerin unter Kanzler Alfred Gusenbauer und derzeit Richterin am Europäischen Gerichtshof.

Schwarze Kandidaten

An ÖVP-Kandidaten für die Holzinger-Nachfolge werden vor allem Christoph Grabenwarter und Georg Lienbacher, beide bereits Verfassungsrichter, genannt. Auch eine Bestellung von außen wäre nicht unwahrscheinlich. Am VfGH ist das nicht ungewöhnlich, so kam etwa Ludwig Adamovich, Präsident von 1984 bis 2002, von außen ins Haus.

Sollte sich die neue Regierung bis 1. Jänner nicht einigen können oder es bis dahin noch gar keine geben, würde Brigitte Bierlein, die derzeitige Stellvertreterin Holzingers, die Geschäfte übernehmen.

Während National- und Bundesrat bereits Hearings für die Kandidaten eingeführt haben, verzichtete die Bundesregierung bisher darauf. Ein solches Hearing für die Kandidaten, die sich um das Amt des VfGH-Präsidenten bewerben, würde den Bestellungsvorgang jedenfalls transparenter machen und Absprachen im Hintergrund zwar nicht verunmöglichen, aber augenscheinlicher werden lassen. (Michael Völker, 8.9.2017)