Wenn die FPÖ nicht von allen guten und heimattreuen Geistern verlassen ist, wird sie ein Regierungsbündnis mit der SPÖ anstreben und nicht mit der ÖVP. Dies setzt allerdings voraus, dass die SPÖ sich darauf überhaupt einlässt und damit eine mögliche Parteispaltung riskiert. Aber mit der SPÖ hätten die Freiheitlichen eine gewisse Chance, unter Bundeskanzler Doskozil als der kleinere Partner auch wahrgenommen zu werden.

Im Bündnis mit einem Bundeskanzler Kurz hingegen hätte die FPÖ null Chancen. Da geht sie gnadenlos unter, weil Kurz an den FPÖ-Forderungen so nahe dran ist, dass er die FPÖ als Ideengeber nicht braucht und diese dann einfach nicht vorkommt – außer als Beiwagerl zur Beschaffung der Mehrheit. Noch spricht vieles dafür, dass die FPÖ nach der Wahl die Qual der Wahl haben wird: rot oder schwarz/türkis? Vorausgesetzt, SPÖ und ÖVP finden nicht doch wieder zusammen, was unwahrscheinlich ist, und vorausgesetzt, für Rot und Blau geht sich eine Mehrheit aus, was durchaus möglich ist.

Nun hat aber die FPÖ ein Wirtschaftsprogramm vorgelegt, das so aussieht, als wäre es weitgehend von der ÖVP abgeschrieben. Ein Bündnis mit der SPÖ geht sich damit nie und nimmer aus, falls die Partei ihr eigenes Programm ernst nimmt. Also doch von allen guten und heimattreuen Geistern verlassen? Aber warum?

Für des Rätsels Lösung hilft ein Buch Hans-Henning Scharsachs: Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften. Der Autor weist darin nach und belegt es mit zahllosen Fakten: Die FPÖ befinde sich schon seit einiger Zeit "im Besitz der Burschenschaften". Das bedeutet: "Überall haben sie die Mehrheit: in den wichtigsten Parteigremien, im Nationalrat und bei den parlamentarischen Mitarbeitern."

Nun sind aber die nationalen Burschenschaften der reaktionärste und sicherlich auch der skurrilste Teil des bürgerlichen Lagers in Österreich. Zudem sind sie – folgt man Scharsach – nie wirklich in der parlamentarischen Demokratie angekommen. Und dieser winzig kleine Klüngel (0,4 Promille der österreichischen Bevölkerung) mit seinem deutschnationalen Weltbild aus dem 19. Jahrhundert beherrscht die FPÖ. Ein Schritt ins Vorgestern.

An sich ist das komisch. Und wäre die FPÖ nicht drauf und dran, Regierungspartei zu werden, könnten wir darüber lachen. Oder sollen wir ein Weltbild ernst nehmen, in dem es heißt, "Frauen seien vom ,Nestbauinstinkt' geprägt und suchten den ,Löwenmann, der dann im Nest sitzen soll'. Das wolle der Löwenmann aber nicht, ,denn Alphatiere sind – wie im Tierreich – oft polygam und haben den Drang, den eigenen Samen zu verbreiten' ... Der harte Politjob eigne sich daher weniger für Frauen, die ,mehr darauf aus sind, zu gefallen' und ,mehr Zeit für die Frisur und Kosmetik' verwenden".

NS-Traditionen

Genug davon. Aber es wäre schon gut, wenn wir wissen, was da auf uns zukommt. Ganz ernst wird es dort, wo Scharsach über "die burschenschaftliche Verwurzelung in NS-Traditionen" berichtet, ausgehend davon, welchen beträchtlichen Anteil Burschenschafter an den schlimmsten Verbrechen des Nationalsozialismus gehabt hatten. Aber es geht hier nicht um Vergangenes, es geht um die Fortschreibung von Tradition in der Gegenwart: Die "Volksgemeinschaft", ein Schlüsselbegriff des Nationalsozialismus, steht seit einigen Jahren auch wieder im Parteiprogramm der FPÖ. Es geht daher aktuell um die enge Verflechtung Heinz-Christian Straches, Norbert Hofers und ihrer Gefährten mit dem gefährlichen Milieu der Burschenschaften und ihrem Denken.

In diesem Lichte muss man auch das Wirtschaftsprogramm der FPÖ sehen: Es ist geprägt vom reaktionär-bürgerlichen Denken der Burschenschaften, die dabei ihren eigenen ökonomischen Vorteil im Auge haben und nicht das geringste Interesse am "kleinen Mann" verspüren, für den allerdings die FPÖ Politik zu machen versprochen hatte. So viel zur Lüge von der "sozialen Heimatpartei". Noch ist alles offen, aber eines zeichnet sich ab: Es wird schwierig werden, nach dem 15. Oktober eine Regierung zu bilden, die zwar von vielen nicht freudig begrüßt, aber von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung zumindest akzeptiert werden kann. (Peter Huemer, 12.9.2017)