Die Neuregelung beim einkommensunabhängigen Kinderbetreuungsgeld ersetzt die vier Pauschalvarianten mit einem Konto. Einfacher ist das System dadurch nicht geworden.

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Wien – Wolfgang H. hat über drei Monate auf sein Kinderbetreuungsgeld gewartet. Er war zwei Monate in Karenz und bereits wieder im Job zurück, als das Geld schließlich auf seinem Konto lag. Nach mehreren Anrufen, unbeantworteten Mails und einem Beschwerdebrief an die Wiener Gebietskrankenkasse, den er auch an Medien geschickt hatte.

"Es ist vollkommen unfassbar, das System funktioniert nicht. Ich glaube nicht, dass ich eine Ausnahme bin", sagt H. zum STANDARD. Der Vater konnte die zwei Monate ohne Einkünfte überbrücken. "Aber ich frage mich: Was tut jemand, der ein geringes Einkommen hat? Das bedroht Existenzen."

Tatsächlich ist die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) im Verzug. Laut der Pressestelle sind derzeit 600 Neuanträge unbearbeitet. Dies sei im Vergleich zum letzten Jahr aber ein normaler Wert, heißt es. Dennoch dürfte das Problem nicht klein sein. Nach einem Brief von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) vom August, in dem von rund 8000 unbearbeiteten Fällen die Rede war, wurden zwanzig neue Posten geschaffen. Die Personalsuche sei bereits abgeschlossen, die Aufnahme würde gestaffelt erfolgen, heißt es in einer Stellungnahme der WGKK.

Bürokratischer Mehraufwand

Grund für den erhöhten bürokratischen Aufwand sind Neuregelungen beim Kinderbetreuungsgeld. Für Kinder, die ab dem 1. März 2017 geboren werden, können Eltern neben dem schon bisher bestehenden einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld auch ein "Kinderbetreuungsgeldkonto" beantragen.

Und jetzt wird es kompliziert: Die Anspruchsdauer des Kontos liegt zwischen 365 und 851 Tagen, also bei rund zwölf bis 28 Monaten. Wenn sich Vater und Mutter das Kinderbetreuungsgeld teilen, können sie es zwischen 456 und 1063 Tage beziehen. Das sind rund 15 bis 35 Monate. In der kürzesten Variante beträgt das Kinderbetreuungsgeld 33,88 Euro täglich und in der längsten 14,53. Je länger der Bezug, umso kleiner also der Betrag.

Insgesamt habe das Konto 460 Varianten gebracht, heißt es in der Stellungnahme der WGKK. Dies bedeute eine "massive Mehrarbeit" für die Mitarbeiter. Im früheren System – das für Geburten bis 28. 2. 2017 noch immer gilt – gab es insgesamt fünf Varianten.

Rückwirkend eingebracht

Im Fall von Wolfgang H. habe sich die Bearbeitung verzögert, weil einige Eltern ihre Anträge rückwirkend einbrächten, sagt die WGKK. Diese hätten Vorrang, Anträge, die in die Zukunft gerichtet seien, würden manchmal nicht sofort behandelt. Ein Großteil der Versicherten müsse aber nicht auf das Kinderbetreuungsgeld warten.

Kritik übt die Krankenkasse daran, dass Lösungen, um die Mitarbeiter zu entlasten, vom Familienministerium abgelehnt wurden. So habe man etwa vorgeschlagen, den Telefonservice auszulagern. "Es handelt sich beim Kinderbetreuungsgeld um hoheitsrechtliche Aufgaben, die ausschließlich von geschultem Personal bearbeitet werden dürfen", begründet das Familienministerium diesen Schritt.

Für die grüne Abgeordnete Judith Schwentner ist der Grund für den Bearbeitungsrückstand klar: "Das System ist unfassbar kompliziert. Der bürokratische Aufwand war absehbar." Sie will nun in einer parlamentarischen Anfrage von Ministerin Karmasin unter anderem wissen, ob die Mehrbelastung der Gebietskrankenkassen finanziell berücksichtigt wurde. (Lisa Kogelnik, 16.9.2017)