Gruppenbild mit Damen: Die soziale Spinne Stegodyphus dumicola ist zur Aufopferung bereit.

Foto: Anja Junghanns

Mutter (oranger Rücken) und Tante (grüner Rücken) bei der Brutpfpege.

Foto: Anja Junghanns

Greifswald – Auch unter Spinnen gibt es sozialen Zusammenhalt – und der kann bis in den Tod gehen: Ein internationales Forscherteam beschrieb nun im Fachblatt "Animal Behaviour", wie sich Spinnenweibchen ohne Nachwuchs für die Nachkommen anderer Weibchen in der Gruppe opfern. Demnach helfen unverpaarte Weibchen zunächst bei der Aufzucht der Jungen – und werden dann, anstatt der Mütter, zu deren Mahlzeit.

Soziale Spinnen leben in Nestern häufig mit Hunderten Artgenossen zusammen. In solch einem Nest kooperieren die Tiere in allen Bereichen. Mütter helfen sich sogar gegenseitig bei der Brutpflege: Sie bewachen die Eikokons mehrere Wochen lang und versorgen die geschlüpften Jungtiere mit hochgewürgter Nahrung. Der Job geht an die Substanz: Am Ende werden die Mütter vom heranwachsenden Nachwuchs gefressen.

Tanten für alle Fälle

Mehr als die Hälfte der Weibchen einer Kolonie bleibt unverpaart, weil Männchen selten sind und nur ein kurzes Leben haben. Die unverpaarten Weibchen pflanzen sich folglich nicht fort. Bislang wurde angenommen, dass diese Weibchen nur Beutefang und Netzbau betreiben, da zur Fütterung der Nachkommen nur Weibchen in der Lage sind, die selbst in der Phase der Brutpflege sind. Dies ist bei Spinnenarten der Fall, die nicht in Gruppen leben.

Wissenschafter der Universitäten Greifswald und Aarhus überprüften diese Annahme nun an der sozialen afrikanischen Spinnenart Stegodyphus dumicola. Dafür stellten sie Gruppen aus verpaarten und unverpaarten Weibchen zusammen und untersuchten, welche Weibchen Brutpflege und welche Beutefang betreiben. Es stellte sich heraus, dass nicht nur die Mütter Brutpflege zeigten, sondern auch die unverpaarten Tiere. Diese "Tanten" versorgten die Jungtiere anderer Weibchen nicht nur mit hochgewürgter Nahrung, sondern lassen sich von den Jungtieren auch fressen.

Evolutionäre Erklärung

Die Forscher erklären das Verhalten mit der Sicherung des Genpools der engsten Verwandtschaft und damit auch des eigenen in der nächsten Generation einer Spinnen-Kolonie. Soziale Gruppen bei diesen Spinnen werden meist von einer einzelnen Mutter und ihrem Nachwuchs gegründet, der sich untereinander verpaart.

"Das Verhalten ist nur scheinbar altruistisch", sagte die Arachnologin Gabriele Uhl (Uni Greifswald), Koautorin der Studie. Durch die erfolgreiche Aufzucht ihrer Nichten und Neffen werden auch Gene, die die Tante besitzt, an die nächste Generation weitergegeben. Das erkläre, wie das scheinbar selbstlose Verhalten evolutionär entstehen konnte und erhalten bleibe. Rund 60 Prozent der Weibchen in den Kolonien von Stegodyphus dumicola blieben unverpaart.

Es zeigte sich aber auch, dass sich die Aufgabenverteilung der Mütter und Tanten leicht unterscheidet: Mütter investieren insgesamt mehr Zeit in die Brutpflege, Tanten sind häufiger in den risikoreichen Beutefang involviert. Selbstaufopferung wird in diesen Kolonien aber so oder so groß geschrieben. (red, 18.9.2017)