Der Vergleich ist gefährlich, besonders in Zeiten wie diesen. Der anonyme Wortspender findet ihn dennoch äußerst passend. "Wie in Nordkorea" sei es hier, in dem kleinen Örtchen mit kaum mehr als 1000 Einwohnern – alles ÖVPler. Dass er von vielen zum einst schwarzen, jetzt türkisen Fanverein gezählt wird, ist unserem Gesprächspartner nur recht. Auch wenn es nicht stimmt. Aber als getarntes schwarzes Schaf lebt es sich einfacher in der Herde der Waldviertler Dorfgemeinschaft. Bei der Nationalratswahl vor vier Jahren hat die ÖVP hier 72,8 Prozent geschafft. Und bei sämtlichen Wahlgängen davor war das Ergebnis ähnlich gut.

Seit 2005 heißt die Bürgermeisterin Angela Fichtinger, seit 2010 darf sich der Ort, der früher Traunstein hieß, mit einem "Bad" vor dem Ortsnamen schmücken – dem Heilmoor im 2008 errichteten Kurzentrum sei Dank. Nicht nur das rechnet man der Frau Bürgermeister, die gleichzeitig in Wien für die ÖVP im Nationalrat sitzt, hoch an. Für die Kultur setze sie sich ein, für die Nachmittagsbetreuung der Kinder. Wenn 18 der 19 Gemeinderatsmitglieder von der Volkspartei sind, lassen sich die Beschlüsse halt auch leichter durchbringen.

DER STANDARD
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Wäre Österreich Bad Traunstein, wäre ÖVP-Chef Sebastian Kurz zwar nicht Kim Jong-un, aber es gäbe kaum etwas, das die Menschen davon abhalten würde, ihr Wahlkreuz bei ihm und seiner neuerdings Bewegung genannten Partei zu machen. "Ich war mein Lebtag eine Anhängerin von der ÖVP", erklärt Dorothea Apolt dem STANDARD. Die Familie habe immer schon die Schwarzen gewählt, "vielleicht kriegt man das schon von klein auf mit". Manches Mal habe ihr natürlich "etwas nicht so gefallen", reflektiert die pensionierte Lehrerin und Volksschuldirektorin, und am Ende unseres Gespräches ist diese Liste dann auch ganz schön lang.

Dorothea Apolt ist treue ÖVPlerin, auch wenn sie nicht von allen schwarz-türkisen Positionen überzeugt ist. Es lebe die Hoffnung.
Maria von Usslar

Etwa Kurz' Vorschlag für separate Klassen für jene Kinder, die noch nicht ausreichend gut Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können: "Da halte ich nicht sehr viel davon." Und die türkise Flüchtlingspolitik? "Ja, kann einem da etwas gefallen dran?" Wobei Frau Apolt, die selbst mit Syrern Deutsch lernt, dem jungen Kanzleraspiranten zugesteht, dass Österreich jetzt einmal genug geflüchtete Menschen aufgenommen habe. Und wenn die Bewertung der Kurz'schen Vorschläge richtig kritisch ausfällt, dann hilft man sich in Bad Traunstein mit der Hoffnung: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kürzung der Mindestsicherung wirklich durchgeht. Ob er das wirklich macht?", zweifelt Frau Apolt. Wie man mangels konkreter Positionen überhaupt noch nicht so recht wisse, wohin die Reise mit der "neuen Volkspartei" geht. Doch Frau Apolt ist optimistisch: "Wir denken, es wird gut."

Wie sieht Bad Traunstein die Flüchtlingspolitik von Sebastian Kurz?
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Auch für Sonja Lechner ist klar, dass sie ihr Kreuzerl wieder bei der ÖVP machen wird. Geprägt habe sie das Elternhaus. Wenn, dann kämen noch die Grünen für sie infrage. Aber weil Frau Lechner Bioziegenmilch auf ihrem Hof verarbeitet, fürchtet sie die Auflagen mit denen sie in diesem Fall als Bäurin rechnet.

Maria von Usslar

Bad Traunstein ist ein landwirtschaftlich geprägter Ort. Der Rest pendelt in die Arbeit oder hat sich mit einem Klein- und Mittelbetrieb selbstständig gemacht. Letztere hoffen auf die "neue" ÖVP. Wolfgang Huber betreibt ein Geschäft direkt am Marktplatz. Er beklagt die Bürokratie, die man als Unternehmer aufgebürdet bekommt. Außerdem dauert ihm alles viel zu lang – "das sollte in Zeiten der Digitalisierung kein Thema mehr sein". Herr Huber setzt auf Sebastian Kurz. Der werde schaffen, was in der Vergangenheit – trotz Regierungsmitglied Kurz – nicht möglich war.

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Andere sind nicht so großzügig. Hubert Mayerhofer ärgert sich über Auflagen und Besuche vom Arbeitsinspektor in seinem Betrieb. Er hat sich auf die Reparatur von landwirtschaftlichen Fahrzeugen spezialisiert, gleichzeitig betreibt er ein Schul- und Reisebusunternehmen. Eigentlich würde er gerne in Pension gehen, aber dem Sohn zuliebe, der den Betrieb übernehmen will, macht er noch eine Zeitlang weiter. Anders gehe es nicht. Sein Fazit: "Bei den Klein- und Mittelbetrieben hat die Volkspartei noch Nachholbedarf am Land."

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Auch Bäurin Lehner würde lieber mehr auf dem Feld stehen als im Büro sitzen – da vermisst sie das Engagement der Schwarz-Türkisen. Wählen will sie sie trotzdem. Herr Mayerhofer könnte hingegen zu den Abtrünnigen wechseln, die man im Ort natürlich recht genau kennt. Für Pensionist Josef Neuwirth ist die Sache mit dem 15. November hingegen glasklar: "Wir sind das Volk, wir wählen Volkspartei. (Karin Riss, 28.9.2017)