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Einmal gegen die Justizreform, dann für ein liberales Abtreibungsgesetz: Zigtausende Polen protestieren regelmäßig gegen die Regierung auf den Straßen Warschaus. Doch die PiS mobilisert auch ihre Befürworter. Das Land ist gespalten, die Investoren schrecken zurück.

Foto: Reuters / Kacper Pempel

Warschau – Polens Wirtschaftsdaten sind außerordentlich positiv. Dabei behauptet die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Ende 2015 ein "Land in Ruinen" übernommen zu haben – allerdings "Ruinen" mit Vollbeschäftigung, steigendem Lebensstandard, niedriger Inflation und hervorragenden Handelsbeziehungen mit Ländern der EU, allen voran mit Deutschland. Kaum ein anderes Land des ehemaligen Ostblocks hat sich seit der politischen Wende in den 1990er-Jahren so dynamisch entwickelt wie Polen.

Natürlich muss erwähnt sein, dass das Land seit seinem Beitritt zur EU im Jahre 2004 die höchsten Subventionen aus Brüssel bekommt. Doch sie allein sind nicht der Grund für die bewundernswerte Transformation von einer Staatsverwaltungswirtschaft zu Demokratie und Marktwirtschaft.

Löcher im sozialen Netz

Ohne die Vision eines besseren Lebens, die Bereitschaft, eine bittere Phase des "Gürtel-enger-Schnallens" durchzustehen, und Mut zum Risiko wären die Polen nie so weit gekommen. Die Makroökonomen, die das neoliberale Wirtschaftsmodell aus den USA importiert hatten, waren damit durchaus erfolgreich. Allerdings haben sie bei ihren Reformen vergessen, sozial schwache Gruppen wie Rentner, Arbeitslose, Kranke, kinderreiche Familien und Berufseinsteiger speziell abzusichern.

So fielen über Jahrzehnte Millionen Polen durch das soziale Netz. Das rächt sich heute. Im Oktober 2015 stimmten 38 Prozent der Wähler für die nationalpopulistische PiS. Die Partei hatte den Polen vor allem Sozialleistungen versprochen – Kindergeld, die Herabsetzung des Renteneintrittsalters, kostenlose Medikamente für über 70-Jährige, einen höheren Steuerfreibetrag, die Abschaffung der befristeten Arbeitsverträge (sogenannte "Müllverträge"), ein funktionierendes Gesundheitssystem und billige Wohnungen.

Angst vor Flüchtlingen

Zudem schürte die Partei die Angst vor Flüchtlingen, Muslimen, Terroristen und angeblichen Seuchenkranken, bei denen die Polen sich anstecken könnten. Schutz vor all diesen Gefahren konnte angeblich nur die PiS bieten. Die Kampagne "Angst schüren, Schutz und soziale Fürsorge versprechen" hatte Erfolg. Heute regieren Polens Nationalpopulisten mit absoluter Mehrheit im Parlament.

Doch schon im ersten Jahr der PiS-Regierung brach das Wirtschaftswachstum ein. Die ausländischen Investoren hielten sich zurück, da viele PiS-Wahlversprechen das Vertrauen in Polens politische Stabilität erschütterte. Dafür stiegen die Staatsschulden auf ein neues Rekordniveau. Mateusz Morawiecki, der neue Entwicklungs- und Finanzminister Polens, sollte mit seinem "Plan für eine verantwortungsvolle Entwicklung" Abhilfe schaffen.

Schlechtere Chancen für ausländische Unternehmen

Tatsächlich gelang es dem pragmatisch denkenden Morawiecki zunächst, das Investitionsklima im Land wieder zu verbessern und die Bedenken ausländischer Unternehmer vor einer möglichen "Repolonisierung" ganzer Wirtschaftssektoren zu zerstreuen. Überdies hat es sich die PiS zum Ziel gesetzt, die Dreiteilung der Staatsgewalt aufzuheben und somit die Grundlage jeder rechtsstaatlichen Demokratie zu zerstören.

Sollte die PiS also in naher Zukunft nicht nur alle Staatsanwälte, sondern auch alle Richter im Lande ernennen können, würde es auch für ausländische Unternehmer in Polen keine Rechtssicherheit mehr geben. Bei Streitigkeiten mit polnischen Finanzämtern, mit Staatsunternehmen oder PiS-Politikern hätten Ausländer vor polnischen Gerichten nur noch schlechte bis gar keine Chancen mehr. Morawiecki wäre der richtige Mann, um "Bis hierhin und nicht weiter" zu rufen. Denn wie kein anderer weiß der Entwicklungs- und Finanzminister, dass es den sagenhaften Wirtschaftsaufschwung Polens seit 1990 ohne ausländisches Kapital nicht gegeben hätte.

Am Ende verlieren alle

Anstatt sich darauf zu konzentrieren, aus der freien Marktwirtschaft mit vielen sozialen Verlierern eine soziale Marktwirtschaft zu machen, in der alle am Wohlstand teilhaben können, verbeißt sich die PiS-Elite in eine nationalistische Rhetorik gegenüber Brüssel und Berlin.

Mehr ausländische Investoren lockt man so nicht in das Land. Und auch die Fördergelder aus der EU werden eher weniger, denn mehr. Am Ende verlieren alle: die EU ein erfolgreiches Mitglied und die Polen fast alles, wofür sie in den letzten Jahren so schwer gearbeitet haben. (Gabriele Lesser, 7.10.2017)