Conrad "Mr. Fix-It" Brean (R. De Niro) und die Präsidentenberaterin Winifred Ames (A. Heche) in "Wag the Dog".

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Erinnert sich noch jemand an den großen Skandal im US-Wahlkampf vor genau 20 Jahren? Ein paar Wochen vor der Wiederwahl wurde dem US-Präsidenten vorgeworfen, eine minderjährige Schülerin sexuell belästigt zu haben. Rein zufällig wurde zur selben Zeit in den Nachrichten die Meldung verbreitet, dass die USA in den Krieg gegen Albanien ziehen, da albanische Terroristen angeblich eine Atombombe in einem Koffer versteckt über Kanada in die USA schmuggeln wollten.

Zwar hat die CIA den potenziellen Krieg schnell entschärft, das nationale Pathos um einen hinter den feindlichen Linien gefallenen Kriegshelden war aber ausschlaggebend, um dem amtierenden Präsidenten die Wiederwahl zu sichern. Was ist damals aber genau passiert? Das Wahlkampfteam des – fiktiven – US-Präsidenten engagierte einen der berüchtigtsten Spindoktoren des Landes, der zusammen mit einem Hollywoodproduzenten ein Narrativ zur Ablenkung vom drohenden Sexskandal erstellte. Und dieses wirkte.

Schwarze Komödie

Betrachtet man die aktuellen Zerfallserscheinungen in der österreichischen Politik, dann erscheint ein derartiger Vergleich mit der Politsatire Wag the Dog nicht abwegig. Strukturelle Vergleiche mit dem aktuell noch laufenden Wahlkampf bleiben der Fantasie der Leser beziehungsweise Zuschauer überlassen, genau wie in der schwarzen Komödie, die vom fabelhaften Regie- und Drehbuchduo Barry Levinson / David Mamet 1997 mit Robert De Niro und Dustin Hoffmann in den Hauptrollen verfilmt wurde.

In Wag the Dog ging es immerhin um einen, wenn auch nur fiktiven, Krieg. Diese Frage stellt sich für Österreich nicht oder noch nicht. Wohl aber geht es darum, wie wir die Globalisierung und deren weniger angenehme Begleiterscheinungen, die auch ein kleines Land direkt betreffen, bewältigen.

Mit den Themen des Wahlkampfs und ihrer Art der Bewertung sicher nicht. Wir garantieren die Vertrauensverluste in die Politik und die Tatsache, dass alle Wertevorstellungen abhandenkommen. Das allerdings ist angesichts der zunehmenden Angstmomente (durch die dominierenden Themen Sicherheit, Migration, Islamisierung) schrecklich, während das Fehlen der Diskussion um wirkliche gesellschaftliche Stärken wie Kultur, Bildung, Wissenschaft und Innovation fast zur Gänze fehlen. Was bleibt, ist die immer wichtigere, dafür aber auch gleichzeitig destruktive Rolle von Social Media and Fake-News.

Wo sind die Alternativen?

Wo aber sind Personen, die dagegen auftreten und positive Alternativen bieten? Und dabei hoffnungsvolle Agenden und Lösungen in den öffentlichen Diskurs einbringen, um diesen zum Positiven zu beeinflussen, anstatt mit denselben, wiederkehrenden Ideen und Floskeln starke Emotionen und gesellschaftliche Polarisierung hervorzurufen. Gerade für die in den 1980ern und 1990ern aufgewachsenen und medial sozialisierten Menschen erscheint der aktuelle Wahlkampf eher als ein schlecht geschnittenes Aneinanderreihen von B-Film-Sequenzen einer halbwegs gut geplanten, aber leidensvoll in die Tat umgesetzten Politsatire.

Das liegt unter anderem auch an den Erwartungen jener, die sich Politik als eine sachliche, pluralistische Auseinandersetzung von Argumenten und den daraufhin folgenden Kompromissen im Sinne des Allgemeinwohls vorstellen. Ohne Emotionen und Ängste, Wadlbeißerei und des sich vermehrt zuspitzenden medialen Ausboten und Taktierens. Natürlich ist dieser Sollzustand des politischen Systems Vergangenheit, und natürlich dominieren Partikularinteressen einer sich immer schneller drehenden und komplexeren Welt zusehends die Ereignisse und Agenden unseres Alltags. Gerade jetzt wäre es daher an der Zeit, kritisch zu hinterfragen, was die Hintergründe sind, die dazu geführt haben? Ist es bloß politischer Gestaltungswille, der durch Anhäufung von durch Wahlen legitimierter Macht erreicht wird?

Unabhängig von der Antwort bleiben die bitteren Konsequenzen. Ein Werbefeldzug für die Politik und ihre Vertreter ist der gegenwärtige Wahlkampf nicht. Es bleibt abzuwarten, was nach dem 15. Oktober geschieht, wobei zu hoffen ist, dass man sich Inhaltsfragen zuwendet und nicht bei dem beliebten Spiel bleibt: wer mit wem.

Am Ende von Wag the Dog fragt der exzentrische Produzent des Ablenkungsmanövers, gespielt von Dustin Hoffman, ekstatisch nach den Credits. Wem gebührt der Verdienst für die Glanzleistung der Vorführung der Öffentlichkeit? Als besorgter Bürger sollte man sich vor dem 15. Oktober ganz nüchtern fragen, wem die Credits für den Verfall des politischen Diskurses gebühren – und vor allem, was danach zu erwarten ist.

(Erhard Busek, Filip Radunovic, 11.10.2017)