Der Wahlkampf war, euphemistisch ausgedrückt, kein Meisterstück politischer Kultur. Die Absurditäten, die sich in den vergangenen Wochen rund um Dirty Campaigning, geleakte Dokumente aus der SPÖ-Zentrale und angebliche Bestechungsversuche abgespielt haben, waren sicherlich kein Beitrag, um die Politikverdrossenheit abzubauen.

Den Abgeordneten im Parlament, die am Donnerstag ein letztes Mal vor der Wahl zusammengekommen sind, muss man aber zugutehalten, dass sie trotz aufgeschaukelter Emotionen die Nerven nicht weggeschmissen und den Staatshaushalt nicht komplett aus den Augen verloren haben. Wenn ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger daher an die narrische Nacht vom 24. September 2008 erinnert, als Beschlüsse gefasst wurden, die die Steuerzahler 4,3 Milliarden Euro kosteten, dann hinkt der Vergleich gewaltig. Dieses Mal geht es nicht um viele Milliarden, sondern um einige Hundert Millionen, wovon ein beträchtlicher Teil ohnehin schon länger ausgemacht war und auch unabhängig von der Nationalratswahl beschlossen worden wäre. Angesichts des gesamtstaatlichen Budgets von heuer 73 Milliarden und der anziehenden Konjunktur sind das eigentlich Peanuts.

Was in den vergangenen Tagen bemerkenswert war: Der SPÖ ist es gelungen, ungewöhnliche Allianzen zu schmieden. Grün und Blau, die sonst bei jeder Gelegenheit betonen, wie undenkbar eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Seite ist, stimmten Seite an Seite für ein Verbot von Bankomatgebühren unter bestimmten Auflagen, für eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, für die Abschaffung der Mietvertragsgebühr und für die Reform der Notstandshilfe.

Symbolpolitik und nette Goodies

Einiges davon ist natürlich reine Symbolpolitik, wie die Bankomatgebührregelung, die im realen Leben der Bankkunden nie einen Niederschlag finden wird. Die Abschaffung der Mietvertragsgebühr ist ein nettes Goodie, das aber nichts am Reformbedarf des gesamten Mietrechts ändert.

Die ÖVP ist bei diesem Gefeilsche zwischen den Stühlen gelandet. Zum Teil hat die Partei von Sebastian Kurz gute Gründe für ihre Vorgangsweise. Wenn Beschlüsse ohne öffentliche Begutachtung gefasst werden, dann birgt das immer auch ein erhebliches Fehlerrisiko. Zum Teil hantieren die Schwarz-Türkisen aber auch mit vorgeschobenen Argumenten.

Etwa wenn Kurz bei der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten meint, seine Partei könne nicht zustimmen, weil es nicht sinnvoll sei, auch in Zukunft dennoch unterschiedliche Betriebsräte für die beiden Gruppen zu haben. Diese Position kann man zwar vertreten, ist aber als Erklärung für das Nein der ÖVP unglaubwürdig. Realistischer ist da schon, dass sich der Chef der neuen Volkspartei nicht mit der alten Wirtschaftskammer anlegen wollte.

Möglicherweise sind die Vorwahlbeschlüsse aber ohnehin bald wieder obsolet. Sollte Kurz, wie viele erwarten, am Sonntag als Erster über die Ziellinie gehen, ist eine Koalition mit der FPÖ viel wahrscheinlicher als eine mit der SPÖ. Bei der Angleichung von Arbeitern und Angestellten kann er dann in Ruhe eine Reparatur der neuen Gesetze, die zum Teil erst 2021 in Kraft treten, vornehmen. Ähnliches gilt für die Notstandshilfe, bei der viele in der ÖVP seit Jahren Änderungsbedarf sehen. In diesem Fall werden die rot-blau-grünen Kompromisse nur eine Fußnote in den Geschichtsbüchern sein. (Günther Oswald, 12.10.2017)