Nach einer Wahlniederlage stellen sich einer Partei immer existenzielle Fragen: Was hat nicht gestimmt mit unserem Wahlkampf? Darauf gibt es im Falle der SPÖ eindeutige Antworten. Wo lagen wir inhaltlich, thematisch falsch? Das ist schwieriger zu analysieren. Was sollen wir nun tun? Das ist offenbar am allerschwierigsten zu beantworten.

Allerlei hat die SPÖ in den vergangenen Tagen ventiliert: Schwarz-Rot ohne Kern an der Spitze? Tolerierung einer ÖVP-Minderheitsregierung, um die FPÖ zu verhindern? Oder Rot-Blau?

Als Juniorpartner in eine Regierung gehen – das gefällt maximal roten Gewerkschaftern und Arbeiterkämmerern, viele andere finden das nicht sehr attraktiv. Ähnlich verhält es sich mit der Unterstützung einer Minderheitsregierung. Da ist schon die eigene Parteigeschichte zu präsent: Was, wenn der so unterstützte Kurz dann bei erneuten Wahlen noch mehr gestärkt würde und die SPÖ hätte das auch noch unterstützt? Bleibt Rot-Blau als Option? Für gar nicht wenige Sozialdemokraten, allen voran ÖGB-Präsident Erich Foglar, ist das eine durchaus erstrebenswerte Koalitionsvariante.

Die ganze Küche brennt

Wiens Bürgermeister Michael Häupl roch dagegen die Gefahr – und reagierte sofort. Normalerweise gibt Häupl den Stadtmonarchen: Er schweigt und lässt die anderen streiten. Wenn er aber, so wie in der Vorwoche, öffentlich bekundet, dass er befürchte, eine Koalition mit der FPÖ könnte die SPÖ endgültig spalten, brennt im roten Haus nicht nur der Herd, sondern schon die ganze Küche.

Parteiintern werden, nicht zuletzt von Häupls möglichem Nachfolger Michael Ludwig, Schreckensszenarien an die Wand gemalt: Eine schwarz-blaue Regierung würde sofort den Finanzausgleich zuungunsten Wiens verändern; die geplante Schuldenbremse würde auch ein gedeihliches Wachstum der Stadt verhindern; schließlich könnten Ministerien abgezogen werden – ein Prestigeverlust für die Bundeshauptstadt.

Außer Acht gelassen werden dabei freilich ein paar Kleinigkeiten: etwa dass just die Ludwig-loyalen Wiener Flächenbezirke in den vergangenen Jahren stetig an die FPÖ verloren haben – und das, obwohl die dortigen SPÖ-Bezirkskaiser rot-blaue Appeasement-Politik betreiben. Oder dass in den Bezirken innerhalb des Gürtels, in denen überdurchschnittlich viele ehemalige Grün-Wähler diesmal für die SPÖ votiert haben, dies gar nicht goutiert würde. Oder dass nach einer Wahl, bei der die Wähler für "Veränderung" gestimmt haben, die SPÖ schlecht beraten wäre zu versuchen, aus der Position des Verlierers den Wahlgewinner auszubremsen.

Schmerzhafter Prozess

Zudem: Christian Kern ist nicht Frank Underwood, der strategisch-taktisch perfekte Bösepolitiker aus "House of Cards". Er hat, wie Politologe Peter Filzmaier kürzlich in der "ZiB 2" formulierte, offenbar ein Talent, sich in strategisch schwierige Situationen zu bringen. Eine davon ist herumzulavieren, statt auf eine einzige Option hinzuarbeiten – und sei es die Opposition.

Das stärkt Kerns Position innerparteilich nicht. Stärke wird er aber brauchen, wenn er das lang Fällige angehen will: gemeinsam mit der SPÖ definieren, was moderne sozialdemokratische Politik heute sein kann, wie ein Gesellschaftsmodell links der Mitte aussehen könnte. Ein solcher Prozess mag schmerzhaft sein und könnte lange dauern – doch er hätte gewiss mehr Zukunft, als sich nun in Torschlusspanik der FPÖ an den Hals zu werfen. Zumindest Häupl scheint das verstanden zu haben. (Petra Stuiber, 22.10.2017)