Dass dieses Tier auf Deutsch bis heute taxonomisch irreführend Spitzmaus heißt, geht auf eine Intervention Adolf Hitlers zurück.
Foto: Karol Zub

München/Wien – Spitzmäuse sehen zwar so aus wie Mäuse. Die Insektenfresser sind aber mit den Maulwürfen deutlich enger verwandt. Dass sie heute dennoch die taxonomisch fragwürdige Bezeichnung Spitzmäuse tragen, daran ist übrigens kein Geringerer als Adolf Hitler schuld.

Als der 1942 nämlich davon Wind kriegte, dass die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde die Umbenennung der kleinen Säugetiere in die sinnvollere Bezeichnung "Spitzer" beschloss, ließ Hitler das sofort unter Androhung von längeren Aufenthalten "in Baubataillonen an der russischen Front" rückgängig machen.

Klein, aber gefräßig

Spitzmäuse gehören nicht nur zu den kleinsten, sondern auch zu den gefräßigsten Säugetieren: Finden sie nur zwei bis drei Stunden keine Nahrung, verhungern sie. Entsprechend bleiben die Tiere auch im Winter aktiv und halten keine Winterruhe.

Doch in dieser Jahreszeit nehmen Waldspitzmäuse, die nur rund 13 Monate alt werden, sowohl an Gewicht wie auch an Körpergröße ab, wie der polnische Zoologe August Dehnel bereits in den 1950er-Jahren beobachtete. Javier Lazaro (Max-Planck-Institut für Ornithologie) ging dem nun in einer Studie im Fachblatt "Current Biology" auf recht aufwendige Weise nach.

Genaue Vermessungen

Um zu untersuchen, ob einzelne Individuen ihre Körpermaße tatsächlich auf diese Weise verändern, fing der Doktorand Javier Lazaro vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell um den Campus am Bodensee rund 100 Waldspitzmäuse. Er stattete die Tiere mit reiskorngroßen elektronischen Chips aus, wie sie auch – in einer größeren Variante – auch für Haustiere zur Identifikation verwendet werden.

Eine zu vermessende Waldspitzmaus.
Foto: Javier Lazaro/MPI für Ornithologie

Die Tiere wurden alle geröntgt, um ihre Schädel zu vermessen und anschließend wieder in die Freiheit entlassen. In regelmäßigen Wiederfangaktionen konnte rund ein Drittel der Tiere einmal oder mehrmals wiedergefangen und erneut geröntgt werden.

Bisher unbekannte Anpassungsstrategie

Tatsächlich sind alle untersuchten Individuen im Winter geschrumpft und im Frühjahr wieder gewachsen. "Die Schädelhöhe nahm im Winter um 15 Prozent, manchmal sogar bis maximal 20 Prozent ab und im Frühjahr wieder bis zu neun Prozent zu", sagt Javier Lazaro.

Röntgenaufnahme eines Schädels einer Waldspitzmaus im Sommer (links) und darauffolgenden Winter (Mitte) sowie im Sommer des nächsten Jahres (rechts).
Foto: Javier Lazaro/MPI für Ornithologie

Dina Dechmann, Koautorin der Studie, interpretiert dieses Phänomen als bisher unbekannte Strategie von Tieren mit einem hohen Stoffwechsel, den Nahrungsmangel und die niederen Temperaturen im Winter zu überleben.

"Normalerweise sind Tiere in kälteren Zonen größer und haben dadurch ein gutes Verhältnis von Volumen zu Oberfläche, um Wärmeverluste zu kompensieren", erklärt Dechmann. "Die Spitzmaus hingegen hat eine im Verhältnis zum Volumen große Oberfläche und könnte durch das Schrumpfen überlebenswichtige Energie sparen." (Klaus Taschwer, 23.10.2017)