Von den 1930er- bis in die 1960er-Jahre war das Museum auch Zertifizierungsstelle für Trachten.

Foto: Christa Knott/Volkskundemuseum Wien

Wien – Schon die vielen verschiedenen Namen, die dieses Museum trug, zeigen, woher der jeweilige politische Wind wehte: ab 1895 Vereinsmuseum mit dem hochtrabenden Namen "Völkermuseum". Bald danach, bis 1918, "Kaiser-Karl-Museum für österreichische Volkskunde", danach "Museum für Volkskunde", ab 1938 "Haus des deutschen Volkstums im Donauosten", nach 1945 "Volkskundemuseum" – und schon bald, geht es nach Direktor Matthias Beitl, "Campus für Alltagskultur".

Gemeint ist immer dasselbe schöne, alte, barocke Gartenpalais Schönborn in der Laudongasse – ein pittoresk verwitterter einstöckiger Bau mit herrlichem Garten und heimeliger Atmosphäre, aber in desolatem Zustand. Dort geht man nun der Frage nach, was das über das eigene Haus aussagt: "heimat: machen. Das Volkskundemuseum in Wien zwischen Alltag und Politik" lautet der Titel der Schau. Man erörtert 100 Jahre Museumsgeschichte, Positionierungen und Handlungen im Namen von "Volkstum" und "Heimat".

Spuren der Vergangenheit

Der Anlass ist gut gewählt, da man das Haus zum modernen Zentrum der Alltagskulturforschung umbauen und öffnen möchte, mit der Uni kooperieren und den verstaubten Ruf der Heimatkundestätte abschütteln will. Wer in die Zukunft schaut, müsse sich auch mit der Vergangenheit auseinandersetzen, so Beitl: "Wir beschäftigen uns quasi hauptberuflich mit den Spuren der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Die Ausstellung war also nur konsequent."

Interessant ist, wie das Sammelverhalten der Museumsmacher mit dem jeweiligen Namen des Hauses und der politischen Absicht korrelierte. War man etwa in der Monarchie bestrebt, den gesamten Vielvölkerstaat "von den Karpaten bis zur Adria" mit Brauchtum, Sitten, Traditionen und Handwerk zu zeigen, überwog in der Zwischenkriegszeit bereits der teils verzweifelte Versuch, die geschrumpfte Republik über die Begriffe "Volkstum" und "Heimat" neu zu fassen. "Das ,Eigene‘ wurde mit ungeheurer Bedeutung aufgeladen", formulieren das die Kuratorinnen Birgit Johler und Magdalena Puchberger.

"Volksdirndl"

Die Gestaltung der Stube, des Bauernhauses, Krippenkunst und Tracht, Volkslied und -tanz wurden in den 1920er- und 1930er-Jahren systematisiert und, wie das "Volksdirndl", standardisiert. Das Volkskundemuseum diente ab da auch als "Zertifizierungsstelle" für die wichtige Frage, wie "echt" und "ursprünglich" das eigene Dirndl oder Trachtengewand war.

Wer glaubt, dies sei der Tummelplatz der Christlichsozialen und der Heimwehr gewesen, irrt: Die Sozialdemokraten bedienten sich der Tracht, um Klassen bewusstsein zu zeigen und zu pflegen. Bis 1934 veranstalteten sie riesige Aufmärsche, in denen etwa die "Arbeitertrachtlerinnen" eine wichtige Rolle spielten.

Spiel der Kinder

Interessant ist auch die Hinwendung zum Kind in den 1930er -Jahren: Gezeigt wird etwa Spielzeug aus Holz, das im Werkunterricht an Österreichs Schulen gefertigt wurde. Das Spiel der Kinder war interessant, weil man es für "ursprünglich" hielt. Die Volkskundler waren damals geprägt vom konservativ bis völkisch-bündischen Leben und begaben sich mit wissenschaftlicher Akribie auf die Suche nach "echtem" Volksgut.

Für besonders ursprünglich und authentisch hielt man dabei weit abgelegene Alpentäler, das Spiel der Kinder, den "germanischen" Norden und die deutschen Sprachinseln in Südosteuropa. 1936 reichte der Volkskundler Karl Haiding seine Dissertation über das "volkstümliche Kindergut" ein, im selben Jahr übermittelte er dem Museum 22 Kinderspielzeuge. Bereits ein Jahr später ging Haiding nach Berlin – ins Hauptreferat Volkstumsarbeit der NS-Reichsjugendführung.

"Donauosten"

In Wien machte derweilen Museumsdirektor Arthur Haberlandt Karriere. Der "Anschluss" 1938 an Nazi-Deutschland bedeutete für das Museum eine bruchlose Weiterexistenz und sogar mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung vonseiten der neuen Machthaber. Haberlandt positionierte das Museum als volkskundlichen Brückenkopf in Richtung "Donauosten" und machte sich persönlich eifrig ans Werk, das wahre "Urgermanentum" aufzuspüren.

Heute verfügt das Museum über 22 Objekte unbestimmter Provenienz, einiges davon vermutlich vom Heiligen Berg Athos in Griechenland: Schmuck, Holzschnitzereien, Keramiken, textile Arbeiten, ein Kinderstuhl. Unklar ist auch, auf welche Weise Haberlandt in deren Besitz kam. "Nach dem Krieg ist das alles sofort verräumt worden", sagt Johler. Das Museum vergaß schnell den "Donauosten" und wandte sich dem neuen Österreich zu. "Man verstand sich als patriotisch, proeuropäisch, österreichisch", erklärt Puchberger.

In heimat: machen geht es auch um das Museum als prägenden und geprägten Ort. Man geht durch Räume, die mehrfach kodiert sind, Sammlungen wurden in ihre divers interpretierten Bedeutungen einbezogen. Auch die Beziehung zwischen Stadt und Museum wird gezeigt sowie Inter essen und Motivationen der Museumsnutzer einst und heute. (Petra Stuiber, 27.10.2017)