Für Christoph Leitl war Harald Mahrer die "erste Wahl".

Foto: cremer

Der Noch-Wirtschaftsminister hält die Selbstverwaltung für eine "zutiefst liberale Idee".

Foto: cremer

Wien – Harald Mahrer hat sich schon ganz in seiner neuen Rolle gefunden. Er sei immer ein "glühender Verfechter der Selbstverwaltung" gewesen. Diese und die damit verbundene Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern sei eine "zutiefst liberale Idee", die auf die bürgerliche Revolution von 1848 zurückgehe, sagte der Noch-Wirtschaftsminister, der nun Christoph Leitl als Chef des ÖVP-Wirtschaftsbunds und danach auch als Präsident der Wirtschaftskammer ablösen soll. Man werde für die Pflichtmitgliedschaft "kämpfen", gehe es für die Unternehmer doch um die "Freiheit vor staatlichem Zwang".

ORF

Der 44-jährige Mahrer wurde am Donnerstag offiziell als Nachfolger des 68-jährigen Oberösterreichers Leitl vorgestellt. Im rund 40-köpfigen Wirtschaftsbund-Präsidium wurde er einstimmig designiert. Formell gewählt wird er im Dezember bei einer Generalversammlung des ÖVP-Wirtschaftsflügels.

Dreiviertelmehrheit unter Landesobleuten

De facto fiel die Entscheidung bereits am Mittwochabend. Da hatte Leitl die neun Landesobleute des Wirtschaftsbunds zusammengetrommelt. Mahrer, der auf Abruf bereitstand, wurde dann für eine Präsentation seiner Pläne dazugeholt. Dann wurde geheim abgestimmt. Das Ergebnis: Sechs Stimmen für Mahrer, zwei gegen ihn, eine Enthaltung. Also eine Dreiviertelmehrheit unter den mächtigen Landeskammern.

In ÖVP-Kreisen geht man davon aus, dass eine Gegenstimme von Wien kam. Der dortige Landespräsident Walter Ruck wollte Leitl selbst beerben. Die zweite Gegenstimme soll aus Tirol und die Enthaltung aus Niederösterreich gekommen sein, bestätigt ist das aber nicht. Die Steirer, der dortige Präsident Josef Herk hatte ebenfalls Ambitionen, konnte Leitl aber offenbar von Mahrer überzeugen.

"Erste Wahl"

Dem Oberösterreicher ist es in den vergangenen Wochen also gelungen, eine breite Allianz für seinen Wunschkandidaten – "Er war meine erste Wahl" – zu bekommen. Bei der Präsentation stellte er einen Vergleich zur Übergabe seines Betriebs an. Das Familienunternehmen Leitl habe er im Sommer in fünfter Generation an seinen Sohn übergeben, nun übergebe er in der Kammer an den nächsten Präsidenten (siehe Grafik).

Der Zeitpunkt kam für viele Beobachter etwas überraschend. Ursprünglich wollte sich Leitl noch länger Zeit lassen. Nun begründete er den Schritt mit den aktuell laufenden Regierungsverhandlungen. Er habe sich gefragt: "Soll ich da noch dabei sein?" Die Antwort, die er sich selbst gab, lautete Nein. Nach der Nationalratswahl und "vor den Veränderungen in der österreichischen Innenpolitik" sei nun der "richtige Zeitpunkt" für den Generationenwechsel, findet Leitl.

Sorgen der Wirtschaft

Wie berichtet gab und gibt es innerhalb des Wirtschaftsflügels die Sorge, bei den türkis-blauen Verhandlungen zu kurz zu kommen. Früher hatte der Wirtschaftsbund die finanzielle Unterstützung als Druckmittel. Das fällt bei Sebastian Kurz, der Millionen an Spenden einsammeln konnte, weg. Mahrer, der vom ÖVP-Chef im Sommer zum Minister gemacht wurde, ist aber optimistisch, seine Vorstellungen "aktiv in die Regierungsverhandlungen einbringen" zu können und auch "massiv eingebunden" zu werden. Zum Kernverhandlerteam gehört er allerdings nicht. Bis zur Angelobung einer neuen Regierung wird er jedoch sein Ministeramt behalten.

Den Parteichef ließ er auch gleich wissen, dass er von einer etwaigen Volksabstimmung über die Kammerpflichtmitgliedschaft, für die die FPÖ plädiert, nichts halte. "Da bin ich sehr skeptisch." Vorstellen könnte er sich aber eine Urabstimmung unter den WKO-Mitgliedern.

"Müssen keinen Vergleich scheuen"

Ähnlich hatte sich zuletzt auch ÖGB-Präsident Erich Foglar geäußert. Wenn man die Selbstverwaltung ernst nehme, müsse man es schon den Kammern überlassen, wie sie sich organisieren, und ihre Mitglieder befragen, sagte Mahrer. Dass eine Urabstimmung negativ ausgehen könnte, glaubt er jedenfalls nicht. "Wir brauchen international keinen Vergleich zu scheuen."

Kritische Worte fand Mahrer für die andere Seite der Sozialpartnerschaft. Bei Themen wie Ausbildung und Arbeitszeit sei vonseiten der Arbeitnehmervertreter zu wenig auf "gesamtstaatliche Interessen" geachtet worden, es brauche nun ein "Vorwärtsdenken".

Klare Mehrheit in WKO

Wann sich Leitl nun genau zurückziehen wird, ist noch nicht klar. Nach der Bestellung zum Wirtschafsbund-Chef im Dezember werde man die weitere Vorgangsweise besprechen. Erwartet wird, dass Mahrer bis Jahresmitte 2018 zum nächsten Kammerpräsidenten gewählt wird. Sollte nicht doch noch überraschend ein Gegenkandidat auftauchen, steht einer Wahl mit klarer Mehrheit nichts im Weg. Im Wirtschaftsparlament, dem höchsten Gremium der Kammer, verfügt der Wirtschaftsbund über eine Zweidrittelmehrheit (siehe Grafik).

Ein Posten bleibt Leitl aber. Er wurde vor wenigen Tagen zum Präsidenten der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres) gewählt. Das bleibt er jedenfalls bis Ende 2019. (Günther Oswald, 2.11.2017)