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Eine Frau zieht in Barcelona ihren Koffer an einem Wohnhaus vorbei, auf dem ein Bewohner mit einem "No Tourist Apartments"-Plakat ein Zeichen setzen will.

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Carsten Brzeski ist Chefökonom der ING-Diba.

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In Großstädten wie London, Barcelona oder New York regt sich Widerstand gegen Apartment-Anbieter wie Airbnb. Die Kurzzeitmieten sind für Vermieter häufig attraktiv, da mit zahlungswilligen Touristen gute Erlöse erzielt werden können. Gleichzeitig steigen aber die Immobilienpreise für Einheimische, wie User "ninushka" aus Lissabon zu berichten weiß. Die Sharing Economy hat ihre Schattenseiten. Demgegenüber steht der Gedanke von Effizienzsteigerung und der besseren Nutzbarkeit von brachliegenden Kapazitäten. Carsten Brzeski, Chefökonom der ING-Diba, reagiert im Rahmen der Kooperation "Mitreden Macht Zukunft" auf kritische Postings der Community zu seinem Beitrag "Sharing Economy ist keine eierlegende Wollmilchsau".

Carsten Brzeski: Es braucht stets Angebot und Nachfrage. Es hat niemand behauptet, es ginge bei der Sharing Economy lediglich um hehre Motive. Service macht natürlich einen Unterschied, aber nicht für jeden! Und bedenken Sie: Wenn Hotels angeblich nicht unter diesen neuen Angeboten leiden, gehen Sie ja davon aus, dass jeder Airbnb-Tourist zusätzlich zu den bisherigen Hoteltouristen kommt. Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Die Erfahrungen bisher zeigen, dass Hotels unter dem Wettbewerbsdruck schließen müssen oder Taxifahrer ihr Geschäft verlieren. So steht die Sharing Economy stellvertretend für den gesellschaftlichen Wandel, den vor allem die Digitalisierung mit sich bringt.

Carsten Brzeski: Das sind genau die beiden Alternativen, die ich unter anderem in "Sharing Economy – Chance oder Hype?" beschrieben habe. Auf der einen Seite können manche Branchen von den freiwerdenden Mitteln der Verbraucher profitieren, die durch Effizienzsteigerungen entstehen. Auf der anderen Seite können ungenutzte Kapazitäten verwertet werden und aus "Nichts" unerwartetes Geld verdient werden. Man kann also durch höhere Effizienz mit weniger Arbeit den gleichen Wohlstand erreichen oder aber den Wohlstand erhöhen. Die Frage ist natürlich, was passiert, wenn aufgrund höherer Effizienz die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht.

Da Sie von den Gewerkschaften sprechen: In Deutschland haben sich die ersten Gewerkschaften bereits auf die "neue Welt" eingestellt. Die IG Metall zum Beispiel geht in die aktuelle Lohnrunde nicht nur mit der Forderung nach höheren Löhnen, sondern auch mit der Forderung nach einer geringeren Wochenarbeitszeit.

Carsten Brzeski: Dass Menschen kooperativ lokal produzieren, dürfte tatsächlich nur für wenige Güter infrage kommen. Ansonsten: Natürlich kann vieles anders laufen – die Frage ist, wie man das gestaltet und was man daraus macht.

Carsten Brzeski: Uber, Airbnb und andere sind letztendlich aus dem Prinzip der besseren Ressourcennutzung entstanden. Auf diese Art und Weise hat das Modell der Sharing Economy klarerweise einen Mehrwert, stellt einen Effizienzgewinn dar. Wie in "Sharing Economy ist keine eierlegende Wollmilchsau" beschrieben, gibt es allerdings mittlerweile Wildwuchs, der soziale Folgen haben kann. Gesundheitsstandards, Arbeitslosengeld, Kranken- und Rentenversicherung sind immer noch Fremdwörter bei manchen Anbietern. Auch vereinsamende Innenstädte muss man an dieser Stelle erwähnen. Daher sollte der Staat hier begleitend eingreifen.

Carsten Brzeski: Die Veränderungen in Ihrem Beispiel lassen sich nüchtern abstrahieren: Der Vermieter hat zusätzliche Einnahmen, der Reisende zahlt weniger als im Hotel, der Mieter aber mehr. Letztlich stellt sich – ähnlich wie bei der Globalisierung von Wertschöpfungsketten – die Frage, bei wem die Gewinne hängenbleiben und wie ihre Verteilung gestaltet werden kann und soll.

Das von Ihnen beschriebene Phänomen sehen wir tatsächlich in fast allen europäischen Großstädten. Leere Innenstädte, belebt vor allem durch Touristen, sowie teure Mieten für Wohnraum sind die Folge. Daher treten auch immer mehr Regierungen gegen die zunehmende Kommerzialisierung der Sharing Economy auf. Das geht einerseits relativ einfach, indem man Gewinne besteuert, andererseits etwas komplizierter, indem man zum Beispiel zeitliche Auflagen einführt. (Carsten Breski, 6.11.2017)