Weinbauern nutzen oft lieber Betriebshallen als Presshäuser.

Foto: Thomas Ruzicka

Viele Gemeinden legen heute Wert darauf, dass ein original erhaltenes Kellergassen-Ensemble erhalten bleibt.

Foto: Thomas Ruzicka

Ganze Kellergassen bleiben heute zunehmend ungenutzt.

Foto: Thomas Ruzicka

37.000 Weinkeller soll es alleine im Weinviertel geben.

Foto: Thomas Ruzicka

Noch vor ein paar Jahren war es möglich, ein Presshaus als Wohnhaus auszubauen. Viele Städter machten dies. Sie erwarben, häufig recht günstig, einen mehr oder weniger verfallenen Weinkeller: Also die so genannte "Kellerröhre" samt einem kleinen Häuschen darüber. Dieses wird Presshaus genannt; früher waren darin Gärbottich und Weinpresse untergebracht.

Effizienz gefragt

Heutzutage verfallen viele dieser urig-romantischen Häuschen im Weinviertel; ganze Kellergassen werden mehr und mehr nicht genutzt. Denn die Weinbauern müssen, wenn sie verdienen wollen, effizient wirtschaften.

Da zählen dann die "Economies of Scale", und die lassen sich in neuen Betriebshallen leichter verwirklichen als in dem verwinkelten Lößkeller, in dem schon der Urgroßvater Wein gekeltert hat.Weinviertler Bauern besitzen oft mehrere solcher Keller. Entstanden sind diese häufig dort, wo vom Arbeitsablauf her eine Station zwischen Weingarten und Hof nützlich war. Und wo es wegen der oft mächtigen Lößformationen möglich war, dass man einen Keller tief ins Erdreich gegraben hat. Dort konnte der Wein bei konstanter Temperatur gelagert werden und reifen. Große Weinorte haben mehrere solcher Kellergassen.

Heute nutzen die Weinbauern meist nur mehr eines ihrer Presshäuser. Das renovieren sie und verwenden es zu Repräsentationszwecken – für Kellergassenfeste, Adventmärkte, oder um Gäste zu bewirten. Dass in diesen Kellern noch Wein hergestellt wird, kommt nur mehr in Ausnahmefällen vor. Sehr viele Presshäuser verfallen deshalb. Das hat negative Auswirkungen auf die Kellergassen selbst, weiß Joachim Maly, Obmann des Vereins KellergassenführerInnen im Weinviertel. Vielfach, fürchtet er, geht es sogar um den Weiterbestand vieler Gassen.

Geringe Nachfrage

Etwa 1200 solcher romantischen Zeilen gibt es allein im niederösterreichischen Weinviertel. Die Zahl der Weinkeller dürfte sich auf etwa 37.000 belaufen. Doch die Nachfrage nach Presshäusern hält sich in Grenzen. Denn die Zeiten, in denen diese Gebäude aufgestockt werden durften, sodass man sich ein Sommerdomizil schaffte, sind vorbei. "Das hat viele Kellergassen verschandelt", weiß Alexandra Hubeny-Pallierer, Kundenberaterin beim Immobilienbüro Remax, zuständig für die Gegend rund um Laa an der Thaya.

Heute legen die Gemeinden Wert darauf, dass ein Gassenensemble möglichst erhalten bleibt. Und das beinhaltet eben keine "Verschönerungen" wie große Fenster, Balkone oder pittoresk verzierte Kellertüren.

Keller als Partylocation

Trotzdem hat man mit so einem Presshaus viele Möglichkeiten, weshalb sich immer wieder Käufer abseits vom Weinbau finden: Zum Aufbau der eigenen Vinothek, fürs eigene Kellerstüberl und als Partylocation. Künstler verwenden die Räume gerne zum Arbeiten oder zum Ausstellen ihrer Werke. Gleichzeitig gibt es sehr schöne Renovierungen und Ausbauten – auch zu Wohnräumen oder Apartments, bei denen auf die Substanz des Presshauses und die Anmutung der Kellergasse bestmöglich Rücksicht genommen wurde.

Die typischen kleinen Fenster auf der Vorderseite wurden dann etwa nicht vergrößert, sondern die Wohnräume nach hinten zum Weingarten angelegt. Von vorne, also in der Kellergasse, ist nicht ersichtlich, dass sich hinter den dicken, meistens weiß gekalkten Lößmauern Wohnräume befinden.Was erlaubt ist und was nicht, wird von den Gemeinden recht unterschiedlich gehandhabt. Vor dem Kauf einer solchen Immobilie, die im eher verwahrlosten Zustand im Internet schon ab etwa 8000 Euro zu haben ist, sollte man mit der Gemeinde Kontakt aufnehmen. Mancherorts wird nicht einmal der Einbau einer Nasszeile oder eines Klos samt Senkgrube erlaubt. Im Gegenzug bauen viele Gemeinden einen leerstehenden Keller zu einem öffentlichen WC um, das auch bei Kellergassenfesten benutzt werden kann.

Arbeitsintensiver Eigengrund

Auflagen haben es mit sich gebracht, dass ein Käufermarkt entstanden ist. Interessenten können die Verhandlungsbasis ordentlich runter drücken. Es gilt, dass die Preise steigen, je näher zu Wien der Weinort liegt. Auch eine Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz treibt den Preis, schließlich will man gerne auch mal ein Achtel über den Durst trinken. Ein eigenes Grundstück, und seien es nur ein paar Quadratmeter, wird von vielen Interessenten als unabdingbar angesehen, weiß Hubeny-Pallierer. Allerdings will man nicht Weinrieden mit kaufen, denn dies bedeutet Arbeit, und das Knowhow fehlt meistens.

Aktuelle Angebote aus dem nördlichen Weinviertel: Ein gut hergerichtetes 70-m²-Presshaus mit Bad und WC (Senkgrube) ist um 29.900 Euro zu haben. Der Nachteil: Es gibt keinen Eigengrund. Weiters ist etwa ein "schönes Presshaus mit 1600 m² bepflanztem Weingarten" zu haben – aber ohne Wasser- und Kanalanschluss in der ganzen Kellergasse. Preis: 19.000 Euro.

"Kulturelles Erbe"

Während das erste Objekt seinen Käufer finden dürfte, ist das zweite extrem schwer an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Eigene Sanitäranlagen sind für die meisten Interessenten ein absolutes Muss. Einen weiteren Hemmschuh macht Immo-Expertin Hubeny-Pallierer bei den Banken fest. Diese seien ausgesprochen zurückhaltend bei der Gewährung von Krediten. Viel wird aber darüber nachgedacht, wie die Kellergassen belebt bleiben können.

Maly spricht von einem kulturellen Erbe, das es zu erhalten gelte. Für die Idee, für einige Kellergasse um den Status eines Weltkulturerbes anzusuchen, können sich aber viele Weinbauern nicht erwärmen. Sie befürchten, dass ihnen dann bei einer Modernisierung ihrer Keller noch mehr die Hände gebunden sind. Maly meint, dass die Kellergassenkultur immerhin als "immaterielles Kulturerbe" geschützt werden könnte. (Johanna Ruzicka, 4.11.2017)