Wien – Maria Vassilakou, die Frontfrau der Wiener Grünen, hat am Samstagabend bei der Landesversammlung der Partei selbst kurzfristig die Vertrauensfrage gestellt. Dieses Vorgehen war laut der grünen Vizebürgermeisterin nötig, weil der interne Kritiker Alexander Hirschenhauser seinen Antrag auf einen raschen Vassilakou-Rücktritt knapp vor der Abstimmung kurzfristig zurückgezogen hatte. Der Verkehrsstadträtin wurde das Vertrauen mit knapp 75 Prozent der anwesenden Mitglieder und Unterstützer im Eventzentrum "Studio 44" in Wien-Landstraße ausgesprochen. "Das bedeutet aber nicht, dass ich einzementiert bin", sagte Vassilakou.

Es gelte, was sie zuvor auch bei ihrer Rede gesagt habe. Da hatte sie ihre Position innerhalb der Partei "in Frage" und "zur Disposition" gestellt. Sie werde "nicht an meinem Sessel" kleben.

Vassilakou sagte, dass sie "nicht an meinem Sessel" kleben werde.

Vor den rund 450 erschienenen Parteimitgliedern und Unterstützern bat Vassilakou Samstagnachmittag zuvor um Zustimmung, um im angekündigten grünen inhaltlichen, strukturellen und personellen Erneuerungsprozess "meinen Beitrag zu leisten". Das sehe sie als ihre Verpflichtung an. Dazu benötige sie aber Unterstützung. Vertrauen benötige sie zudem auch, um die Regierungsarbeit mit der Wiener SPÖ fortzusetzen.

Am Abend sagte Vassilakou: "Am Ende des Klärungsprozesses steht jede Spitzenposition zur Disposition." Sich selbst schloss Vassilakou erneut explizit nicht aus. Wer die Partei als Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat in die kommende Wien-Wahl führt, soll "innerhalb eines Jahres" feststehen. Ob sie sich erneut eine Kandidatur vorstellen könnte, ließ Vassilakou offen.

Die Wiener Grünen zeigten sich bei ihrer Landesversammlung auch selbstkritisch und zeigten zum Eingang ein Bild mit der Aufschrift: "Under Construction".
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Für Aufregung hatte vor der Landesversammlung ein Antrag gesorgt, der einen "geordneten Rückzug" von Vassilakou bis zum Frühjahr 2018 aus ihren Funktionen gefordert hatte. Eingebracht hat die Rückzugsforderung unter anderem Alexander Hirschenhauser, der grüne Klubchef in der Inneren Stadt und vehementer Gegner des Wohnturmprojekts am Heumarkt. Dieser Antrag wurde, wie erwähnt, im letzten Moment zurück gezogen. Hirschenhauser sagte zum STANDARD, nach den Beweggründen zu seinem Vorgehen befragt: "Ich bin zufrieden, weil es keine Gewinner und Verlierer gab."

Alexander Hirschenhauser, der grüne Klubchef in der Inneren Stadt.
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Personelles erst am Ende

Für Vassilakou ist klar, dass bei der Neuaufstellung der Partei zunächst Inhalt, Themen und Struktur behandelt werden sollten, danach erst Personelles. Denn sollte am Ende der Reform herauskommen, "dass es eine andere Person an der Spitze braucht: Chapeau", sagte Vassilakou. Niemand sei sakrosankt. "Ich stelle meine Person infrage, ich stelle meine Position zur Disposition und wünsche mir, dass dies im Zuge unserer Neuorientierung alle tun."

Der Leitantrag zur Neuaufstellung der Partei wurde mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent der anwesenden grünen Basis angenommen. "Wir befinden uns am Beginn eines Erneuerungsprozesses", sagte Vassilakou. Erste Ergebnisse soll es bei der nächsten Landesversammlung im Juni 2018 geben. Der grüne Landessprecher Joachim Kovacs mahnte schnelle Resultate ein. "Ich verstehe mich als Tempomacher."

Vassilakou räumte auch Fehler in ihrer politischen Arbeit ein.
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In ihrer politischen Arbeit räumte Vassilakou auch Fehler ein: So habe sie die Sprengkraft des umstrittenen Heumarkt-Projekts "falsch eingeschätzt". Das sei nicht ihr einziger gewesen, meinte die Planungsstadträtin, die nach Eigenangaben seit bald 14 Jahren quasi die Nummer eins der Wiener Grünen ist. "Wenn ich pro Jahr bloß einen Fehler gemacht hätte, dann wären es schon mindestens 13."

Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Samstag nach ihrer Rede bei der Landesversammlung der Wiener Grünen.
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Medien von Debatte ausgeschlossen

Die Debatte zu den Anträgen samt Abstimmungen fanden dann unter Ausschluss von Medien statt.

Die Debatte zu den Anträgen samt Abstimmungen fanden unter Ausschluss der Medien statt.
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Deutliche Spitzen gegen Wiener SPÖ

Vor der internen Debatte hinter verschlossenen Türen ab etwa 14.45 Uhr war Landessprecher Kovacs bei seiner Rede bemüht, sich deutlich vom roten Koalitionspartner in Wien abzugrenzen. Der Lobautunnel sei etwa "ein absolutes No-Go". Die Grünen müssten "bis zum letzten Tag dagegen kämpfen, dass so ein Schwachsinn wie eine Zwei-Milliarden-Euro-Röhre durch den Nationalpark nicht kommt".

Die Grünen und die Wiener SPÖ "sind verdammt noch mal zwei unterschiedliche Parteien. Wir müssen diese Unterschiede herausstreichen", sagte Kovacs.
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Kovacs kritisierte auch, dass Magistratsbeamte positive Stellungnahmen zum Lobautunnel oder zur dritten Piste beim Flughafen Wien-Schwechat ohne grüne Einwilligung verschickt hätten. "Das kann nicht sein".

Die Grünen und die Wiener SPÖ "sind verdammt noch mal zwei unterschiedliche Parteien. Wir müssen diese Unterschiede herausstreichen", sagte Kovacs. Das Ziel müsse sein, die Wahlen in Wien 2020 zu gewinnen – das sei dann auch ein "Turboboost" für die Grünen im Bund.

"Größte Krise unserer Geschichte"

Kovacs erinnerte an die grünen Erfolge vor einem Jahr, die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten oder den Sieg der Grünen bei der Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt. "Ein Jahr danach stecken wir Grüne in der wahrscheinlich größten Krise unserer Geschichte", sagte er.

Bundessprecher Werner Kogler appellierte in seiner Rede an die Basis: "Wenn wir Zusammenhalt, Respekt und Solidarität plakatieren, dann sollte das auch im eigenen Umfeld eine Rolle spielen. Wir haben für die nächsten zwei, drei Jahre nur noch diese eine Chance und die müssen wir nützen." Bei einer bevorstehenden schwarz-blauen Bundesregierung, die Attacken auf Rot-Grün durchführe, brauche es die Gegenkonzepte der Grünen in Wien.

Bundessprecher Werner Kogler appellierte in seiner Rede an die Basis: "Wenn wir Zusammenhalt, Respekt und Solidarität plakatieren, dann sollte das auch im eigenen Umfeld eine Rolle spielen.
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(David Krutzler, 25.11.2017)